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Moskau nimmt Abschied vom ermordeten Oppositionspolitiker Boris Nemzow. Nach dem Attentat auf den charismatischen Kritiker von Präsident Putin wollen am Sonntag bis zu 50'000 Menschen im Zentrum von Moskau an einer Trauerkundgebung teilnehmen.
Nach dem Mord am russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow haben sich in Moskau Zehntausende zu einem Trauermarsch formiert. Menschen allen Alters, viele von ihnen mit Rosen und Nelken in den Händen, kamen im Gedenken an den Ex-Vizeregierungschef in das Stadtzentrum - bewacht von einem Grossaufgebot an Sicherheitskräften.
Auf Plakaten waren Aufschriften zu sehen wie "Ich fürchte mich nicht", aber auch "Ich fürchte mich - wer ist der Nächste?". Die Stadtverwaltung hatte eine Kundgebung mit bis zu 50'000 Menschen genehmigt.
Der von dem Oppositionsführer und Ex-Regierungschef Michail Kasjanow organisierte Marsch sollte am Sonntag auch über die Grosse Moskwa-Brücke am Kreml führen, wo Nemzow am späten Freitagabend mit vier Schüssen in den Rücken ermordet worden war.
Ursprünglich hatte die Opposition für Sonntag eine Grosskundgebung gegen die Ukraine-Politik von Präsdient Wladimir Putin geplant, diese wurde nach Nemzows Ermordung abgesagt.
Fluchtauto gefunden
Nemzow war am späten Freitagabend nur wenige Meter vom Kreml entfernt auf offener Strasse hinterrücks erschossen worden. Vom Täter fehlt seitdem jede Spur. Sowohl die Polizei als auch der Kreml gingen von einem Auftragsmord aus.
Nach Fernsehberichten fanden die Ermittler möglicherweise das Fluchtauto. Der TV-Sender Rossija 24 zeigte das weisse Fahrzeug mit einem Nummernschild der Teilrepublik Inguschetien, die im islamisch geprägten Konfliktgebiet Nordkaukasus liegt.
Bestürzung weltweit
Die Tat löste weltweites Entsetzen aus. Russlands Präsident Putin verurteilte den "brutalen Mord" ebenso wie US-Präsident Barack Obama. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel äusserte sich bestürzt. Sie forderte Putin auf, "zu gewährleisten, dass der Mord aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.
Das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) "verurteilt die brutale Ermordung eines unermüdlichen Verteidigers der Demokratie und Kämpfers gegen die Korruption und spricht den Angehörigen seine aufrichtige Anteilnahme aus".
Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Tat auf das Schärfste und forderte eine rasche Aufklärung. Er drückte "Herrn Nemzows Familie, Freunden und Unterstützern" sein tiefstes Beileid aus. Bans Erklärung war in weiten Teilen Standard, wie stets nach politischen Morden. Die Erwähnung der "Unterstützer" des Putin- Kritikers ist aber nach Ansicht von Beobachtern ungewöhnlich.
Putin spricht von AuftragsmordDer Kremlchef nannte den Mord eine politische "Provokation". Die Bluttat habe alle Anzeichen eines Auftragsmordes, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. In einem Beileidstelegramm an Nemzows Mutter würdigte Putin die Verdienste des Politikers und sicherte zu, sich vehement für die Aufklärung des Verbrechens einzusetzen.
Der Friedensnobelpreisträger und Ex-Kremlchef Michail Gorbatschow warnte vor einer Destabilisierung der Lage in Russland. Die Situation ist angesichts des Ukraine-Konflikts gespannt. Nemzow hatte Putin wiederholt eine Aggression gegen die Ukraine vorgeworfen.
Nach der Trauerkundgebung in Moskau wird der Sarg mit dem Leichnam des Politikers im Sacharow-Menschenrechtszentrum aufgebahrt. Dort sollen die Menschen nach russisch-orthodoxem Brauch am Dienstag Abschied nehmen können vom früheren Vize-Regierungschef. Anschliessend ist die Beisetzung auf dem Prominentenfriedhof Trojekurowo geplant.