Professorin beschuldigt Trumps Kandidaten: «Ich konnte nicht atmen»

Eine Psychologie-Professorin hat gestern vor einem Senatsausschuss bestätigt: Richter Brett Kavanaugh, der für einen Sitz am höchsten Gericht nominiert ist, soll 1982 den Versuch unternommen haben, sie zu vergewaltigen.

Renzo Ruf, Washington
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Emotionaler Moment: Christine Blasey Ford sagte gestern vor einem Senatsausschuss gegen Donald Trumps Kandidaten für den Supreme Court, Brett Kavanaugh, aus. (Bild: Win McNamee/EPA (Washington, 27. September 2018)

Emotionaler Moment: Christine Blasey Ford sagte gestern vor einem Senatsausschuss gegen Donald Trumps Kandidaten für den Supreme Court, Brett Kavanaugh, aus. (Bild: Win McNamee/EPA (Washington, 27. September 2018)

Lindsey Graham war so klug wie zuvor. Nach Abschluss des ersten Teils der Senatsanhörung wisse er immer noch nicht, wann sich der angebliche Vergewaltigungsversuch abgespielt habe, über den Christine Blasey Ford (51) gestern im Justizausschuss vier Stunden lang Auskunft gegeben hatte. Auch sei ihm der mutmassliche Tatort nicht bekannt, und er wisse nicht, wie Blasey Ford nach der Attacke nach Hause zurückgekehrt sei. Er wisse aber, dass die Demokraten alle Hebel in Bewegung setzten, um die Nomination von Berufungsrichter Brett Kavanaugh (53) für den freien Sitz am Supreme Court, dem höchsten Gericht im Land, zu torpedieren. Und er wisse, dass Kavanaugh die Vorwürfe von Blasey Ford ­heftig zurückweise. Graham, ein Vertrauter von Präsident Donald Trump, sagte deshalb: Er sei überzeugt davon, dass sich «die Dame» von den Demokraten habe einspannen lassen – weil die Oppositionspartei kurz vor der nächsten Wahl der Präsidentenpartei Schaden zufügen wolle.

Mit dieser Meinung allerdings stand der redselige Senator recht allein da. Denn Blasey Ford hatte während der Anhörung glaubwürdig Auskunft gegeben über ­einen Vorfall, der sich im Sommer 1982 abgespielt haben soll. Unter Tränen sagte sie, sie könne sich zwar nicht an Details der Teenagerparty erinnern, an der sich der Vergewaltigungsversuch ereignet haben soll. Aber sie werde nie in ihrem Leben vergessen, wie sie in ein Schlafzimmer eingesperrt worden sei und Kavanaugh sie daran gehindert habe, um Hilfe zu schreien. «Ich konnte nicht atmen», als Kavanaugh seine Hand auf ihren Mund gepresst habe, sagte sie. Sie habe Angst ­gehabt, dass der stark betrunkene Kavanaugh sie versehentlich ­töten werde. Von einem demokratischen Senator gefragt, an was sie sich sonst noch erinnern könne, sagte Blasey Ford: «An das laute Lachen» von Kavanaugh und seinem Freund Mark Judge, der sich ebenfalls im Schlafzimmer aufgehalten habe. «Zwei Freunde, die sich grossartig amüsierten.» Als ein anderer Senator sie fragte, ob sie sicher sei, dass es sich bei dem jungen Mann um den heutigen Berufungsrichter Kavanaugh handle, sagte Blasey Ford: «100 Prozent.» Eine Verwechslung sei ausgeschlossen. Sie entschuldigte sich dafür, dass sie keine weiteren Details über den Vergewaltigungsversuch beisteuern könne. Als Wissenschafterin, die sich auf traumatische Ereignisse spezialisiert hatte, sei ihr aber natürlich bekannt, wie das menschliche Gehirn in solchen Stresssituationen funktioniere.

Kavanaugh bestreitet Vorwürfe nach wie vor

Etwas erstaunlich war, dass sämtliche republikanische Mitglieder des Justizausschusses sich dazu entschieden, Blasey Ford nicht persönlich in die Zange zu nehmen. Sie delegierten ihr Fragerecht vielmehr an die eigens beauftragte Staatsanwältin Rachel Mitchell, die sich auf die Ermittlung von Sexualdelikten im Grossraum Phoenix (Arizona) spezialisiert hat. Mitchell allerdings beschränkte sich darauf, recht spezifische Fragen über die vergangenen zwei Monate zu stellen – dem Zeitraum also, in dem Blasey Ford mit ihrer Bürgerinnenpflicht gerungen habe, wie sie selbst sagte, und sich nicht ­sicher war, ob sie die Vorwürfe gegen Kavanaugh publik machen wolle. Über den eigentlichen Vorfall stellte sie Blasey Ford fast keine Fragen. In einer Randbemerkung wies Mitchell aber darauf hin, dass eine öffentliche Senatsanhörung wohl nicht der beste Ort sei, einen derart traumatischen Vorfall zu besprechen.

Der Auftritt von Richter ­Kavanaugh vor dem Justizausschuss begann nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe. In einer schriftlichen Stellungnahme wies er aber die Anschuldigung von Blasey Ford scharf zurück. Gemäss dem Programm wird die vorberatende Kommission heute über die Nomination von Kavanaugh abstimmen.