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Acht Jahre nach der Fukushima-Katastrophe ist erstmals wieder ein Pazifikstrand nahe den havarierten Reaktoren freigegeben worden.
Am Wochenende vergnügten sich Hunderte Menschen am Strand von Minamisoma in den Fluten des Pazifik. Bis vor acht Jahren war das um diese Jahreszeit ein normaler Anblick, ehe am 11. März 2011 nur etwa 25 Kilometer entfernt das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi im Tsunami havarierte. Seither war die Küste auch im heissen japanischen Hochsommer verwaist, niemand wollte sich einem erhöhten Strahlenrisiko aussetzen. Jetzt haben die Behörden offiziell Entwarnung gegeben, Strand und Ozean sollen wieder sicher sein.
Skepsis ist angebracht, und so mancher Besucher muss sich speziell für den Badegang motivieren. Sayaka Mori rklärt der japanischen Nachrichtenagentur Kyoto
Ich bin hier mit Blick auf die See aufgewachsen. Erstmals zurückzukommen, erweckt in mir einen Hauch Nostalgie
Ihr Haus, nahe dem Strand, war bei der Jahrhundertkatastrophe vor acht Jahren von den gewaltigen Sturzwellen fortgerissen worden.
Noch ist die Erinnerung an das Grauen dieses Tages hellwach. Ein Erdbeben der Stärke 9 und der anschliessende Tsunami hatten weite Teile der Pazifikküste in der nordöstlichen japanischen Präfektur Fukushima verwüstet und etwa 18'500 Menschenleben gefordert. Im AKW Daiichi wurden drei Reaktoren zerstört, es kam zu einer unkontrollierten Kernschmelze. Wegen der Gefahr radioaktiver Verstrahlung mussten bis zu 160'000 Anwohner fliehen. Viele sind bis heute noch nicht zurück, glauben nicht mehr an die Zukunft ihrer früheren Heimat. Die dicht am AKW gelegene Stadt Okuma musste vollständig evakuiert werden. Noch immer kann dort niemand gefahrlos leben. Der Ort wirkt wie einem Geisterfilm entsprungen. Häuser zerfallen, zwischen den Gebäuden wuchert allenfalls Unkraut, weil sich niemand darum kümmert. Ausser der Hauptstrasse, die auf wundersame Weise dekontaminiert sein soll, sind alle anderen Gassen und Wege nach wie vor gesperrt. Anderswo an der Nordküste wurden von den Behörden Ortschaften zwar wieder freigegeben, aber wer 2011 jung genug und ausreichend qualifiziert war, hat sich längst in anderen Teilen Japans eine neue Existenz geschaffen.
Mit den Jahren steigt nun auch die Chance, die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Hauptproblem am AKW ist weiterhin die Kühlung der havarierten Reaktoren. Dabei dringt täglich Grundwasser auf das Gelände der Atomruine, vermischt sich dort mit dem kontaminierten Kühlwasser. Zwar konnte die einfliessende Menge durch einen technischen Trick von 400 Tonnen am Tag auf 100 bis 150 Tonnen erheblich reduziert werden. Eine unterirdische Eiswand hält das Wasser weitgehend zurück.
Unterdessen ist die Tankkapazität jedoch beinahe ausgeschöpft, und bisher weiss niemand, wohin mit dem Wasser. So wächst bei Umweltschützern die Sorge, man sei eines Tages gezwungen, die verseuchte Brühe in den Pazifik abzulassen – mit unvorhersehbaren Folgen für das Meer und die Fischerei. Tetsu Nozaki, Chef der Fischereigenossenschaften in der Fukushima-Präfektur:
Niemand würde mehr unsere Meeresprodukte kaufen. Das wäre ein Desaster für den wichtigsten Wirtschaftszweig unserer Region.