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Italiens Innenminister und Chef der fremdenfeindlichen Lega, Matteo Salvini, will die Flüchtlinge erst an Land lassen, wenn er von den anderen EU-Ländern verbindliche Zusicherungen erhält, dass sie die Migranten übernehmen.
Seit Montag ankert die «Diciotti», ein Schiff der italienischen Küstenwache, im Hafen von Catania in Sizilien. Zuvor dümpelte das Boot vor der Insel Lampedusa, ohne die Erlaubnis, in den Hafen einzulaufen. An Bord befinden sich 150 Flüchtlinge.
Italiens Innenminister und Chef der fremdenfeindlichen Lega, Matteo Salvini, will die Flüchtlinge erst an Land lassen, wenn er von den anderen EU-Ländern verbindliche Zusicherungen erhält, dass sie die Migranten übernehmen. «Meiner Ansicht nach hat Italien seinen Teil bei der Aufnahme von Flüchtlingen erfüllt. Wenn Europa seinen Teil weiterhin nicht übernimmt, können die Schiffe von mir aus wieder so abfahren, wie sie angekommen sind», erklärte Salvini.
Der Politikchef der Protestbewegung Cinque Stelle, Luigi Di Maio, setzte gestern noch einen drauf: Für den Fall, dass sich Europa in der Migrationspolitik weiterhin nicht im Sinne Italiens bewegen sollte, drohte er mit einer Blockierung der italienischen Beiträge an den EU-Haushalt. «Wenn die EU nicht mehr in der Lage ist, 150 Flüchtlinge zu verteilen, dann hat sie ein ernstes Problem mit ihren Gründungsprinzipien wie der Solidarität», sagte Di Maio.
Der 31-Jährige ist Arbeits- und Sozialminister und wie Salvini Vizepremier. Italien hat im vergangenen Jahr 13,9 Milliarden Euro in den EU-Haushalt einbezahlt, von denen 11,6 Milliarden Euro in Form verschiedener Beiträge und Subventionen zurückgeflossen sind.
Dass 150 Menschen seit nunmehr zehn Tagen auf der «Diciotti festgehalten werden, verstösst mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur gegen Gesetze und internationale Vereinbarungen, sondern auch gegen die italienische Verfassung. Das hat inzwischen auch der Staatsanwalt der sizilianischen Stadt Agrigento, Luigi Patronaggio, festgestellt.
Er hat eine Voruntersuchung wegen Freiheitsberaubung eingeleitet – «gegen unbekannt». Zuvor hatte Patronaggio das Schiff persönlich inspiziert. «Es ist grauenhaft. Viele Flüchtlinge sind krank und haben Folterspuren; die meisten von ihnen haben die Krätze», erklärte der Staatsanwalt nach seinem Besuch auf dem Schiff.
Salvini zeigte sich unbeeindruckt: «Ich bin nicht unbekannt. Ich bin Matteo Salvini, Senator und Innenminister Italiens mit dem Mandat, die Grenzen zu verteidigen und mich um die Sicherheit dieses Landes zu kümmern», erklärte er auf Facebook. «Wollt ihr mir den Prozess machen? Dann macht mir eben den Prozess.»
Aber mit seiner Erlaubnis werde die «Diciotti» niemand verlassen – mit Ausnahme der 29 unbegleiteten Kinder, die am Mittwoch an Land gelassen wurden. Wenn Staatspräsident Sergio Mattarella oder Ministerpräsident Giuseppe Conte intervenieren wollten, dann sollen sie es tun.»
Die europäischen Partner reagieren zunehmend genervt auf die italienischen Erpressungsversuche. «Drohungen sind nicht hilfreich und werden uns einer Lösung für die Migranten auf der ‹Diciotti› nicht näher bringen», erklärte gestern ein Sprecher der EU-Kommission. Zur Drohung mit der Blockierung der EU-Beiträge erklärte er, dass die Bezahlung dieser Beiträge «eine klare gesetzliche Verpflichtung darstellt».
Die Opposition ist entsetzt über die «Geiselnahme» der Flüchtlinge auf der «Diciotti»; die Drohung mit der Blockade der EU-Beiträge wird als Vorstufe zu einem «Italexit», einem Austritt Italiens aus der EU, interpretiert.
Ex-Premier Paolo Gentiloni bezeichnete das Gehabe der Regierung und das Festhalten der Flüchtlinge auf dem Schiff der Küstenwache als «nationale Schande» und erinnerte daran, dass der Innenminister «nicht über dem Gesetz steht, nicht die Regierung führt, nicht die Küstenwache kommandiert und und auch nicht Kinder begnadigt Erwachsene verurteilt». Doch genau dies tut Salvini – mit dem Einverständnis von Di Maio und Premier Giuseppe Conte. Die Flüchtlinge an Bord sollen indes in den Hungerstreik getreten sein.