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Nach 13 Jahren Verhandlungen steht der Atomdeal mit Iran. Der Islamwissenschafter Michael Lüders glaubt, dass die Zeit der ultrakonservativen Mullahs in Teheran zu Ende geht.
Michael Lüders: Dieses Abkommen wird zu einer Befriedung der Region beitragen. Gleichzeitig ist es das erste Abkommen seit der Islamischen Revolution von 1979, das zwischen Iran und den USA abgeschlossen worden ist. Es ist ein historisches Dokument. Und man kann der Fantasie durchaus freien Lauf lassen und sich vorstellen, dass dieses Abkommen den Beginn einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Iran und den USA darstellt – bis hin zur Wiederaufnahme der vor 36 Jahren abgebrochenen diplomatischen Beziehungen. Angesichts der vielen Konflikte in der Region ist es zu begrüssen, dass die westlichen Staaten und Iran eine solche Übereinkunft gefunden haben.
Das Wiener Abkommen stärkt natürlich die Gegner des Islamischen Staats, allen voran Iran und die USA, die jetzt in einem Boot sitzen.
Ganz klar. Dieses Abkommen kennt auch Verlierer. Das sind vor allem Israel und Saudi-Arabien. Beide Länder haben über Jahre hinweg versucht, ein solches Atomabkommen zu verhindern. Vor allem wollten sie keine Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Westen und Iran, weil sie befürchten, dass Iran geopolitisch und wirtschaftlich zu stark werden könnte.
Zentrifugen: Die zur Uran-Anreicherung nötigen Zentrifugen werden für die nächsten zehn Jahre von 19 000 auf 6000 verringert.
Anreicherung: Die Höchstgrenze der Anreicherung beträgt 3,67 Prozent. Für eine Atombombe ist eine Anreicherung auf 90 Prozent nötig.
Uran-Bestände: Die Bestände von bereits angereichertem Uran werden drastisch reduziert.
Atom-Anlagen: Der Schwerwasserreaktor Arak wird zu einem Forschungsreaktor umgebaut. Damit kann er kein zum Bau von Atomwaffen nutzbares Plutonium mehr produzieren. Die lange geheim gehaltene Anreicherungsanlage Fordo wird ein Atom-Forschungszentrum. Die einzige Anlage zur Uran-Anreicherung ist nun Natans.
Verifikation: Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erhält besonders intensiven Zugang zu allen Atomanlagen.
Wirtschaftssanktionen: Sie werden erst dann schrittweise aufgehoben, wenn die IAEA bestätigt, dass Iran alle Bedingungen erfüllt hat.
Das wird in erster Linie von der innenpolitischen Entwicklung in den USA abhängen. Die Republikaner sind gegen das Abkommen und haben die Mehrheit im Kongress, der einer Aufhebung der Sanktionen in seiner Mehrheit zustimmen muss. Vieles deutet daraufhin, dass die Republikaner versuchen werden, dieses Atomabkommen zu torpedieren.
Nein. Dieser Vertrag wird die Normalisierung der Beziehungen zum Iran vorantreiben. Die Europäer, die Russen und die Chinesen werden zügig ihre Sanktionen zurückfahren oder ganz aufheben. Es ist eine Dynamik entwickelt worden, die es für die Republikaner schwer machen dürfte, auf scharfe Konfrontation zu setzen.
Im besten aller Fälle wird sich die aussenpolitische Öffnung, die ja dieser Vertrag bedeutet, auch in einer innenpolitischen Öffnung fortsetzen. Das heisst, die Pragmatiker, die gemässigten Kräfte werden an Einfluss gewinnen auf Kosten der Hardliner. Es ist zumindest die Hoffnung grosser Teile der iranischen Bevölkerung, dass die Zeit der Ideologen und Theokraten, der ultrakonservativen Mullahs sich doch dem Ende zuneigt.
Das mag sein. Aber wenn die Iraner jetzt spüren, dass mit dem Ende der Sanktionen die Wirtschaft weiterhin an Fahrt aufnimmt und wenn sie nicht mehr als Parias der internationalen Staatengemeinschaft gelten, dann wird es natürlich den Hardlinern immer schwerer fallen, Argumente zu finden, warum man diesen neuen Kurs nicht fortsetzen sollte. Es gibt natürlich auch in Iran Kräfte, die gegen eine Normalisierung der Beziehungen mit dem Westen sind, vor allem mit den USA. Aber im Moment sehe ich eigentlich nur die Stunde der Pragmatiker, verkörpert durch Staatspräsident Rohani, der nun sein Wahlversprechen, nämlich die Aufhebung der Sanktionen, einlösen kann.