Analyse
Neue Minister: Joe Bidens Team ist alles andere als prickelnd – und das ist auch gut so

Der designierte US-Präsident Joe Biden stellte Schlüsselpersonen in seinem Kabinett vor. Wirklich aufregende Persönlichkeiten sind nicht darunter. Und das sei auch gut so, findet unser Korrespondent.

Renzo Ruf
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Der Kontrast könnte grösser nicht sein. Donald Trump scharte bei seinem Amtsantritt Unternehmer (Rex Tillerson), Generäle (Jim Mattis) und gescheiterte Präsidentschaftskandidaten (Ben Carson) um sich, weil er den Politbetrieb in Washington aufmischen wollte. Sein Nachfolger Joe Biden hingegen setzt auf Erfahrung und Kompetenz.

Der designierte Präsident will die Schlüsselpositionen in seinem Kabinett mit Figuren wie Janet Yellen (Finanzministerin), Tony Blinken (Aussenminister) und Michèle Flournoy (Verteidigungsministerin) besetzen. Gemein haben diese Namen, dass sie sich in den Hauptstädten dieser Welt nicht mehr vorstellen müssen.

Sie alle sind Insider, die von der ersten Minute an (sobald der Senat sie auf ihrem Posten bestätigt hat) mit der Arbeit beginnen können.

Und an Arbeit wird es nicht mangeln. Im Landesinnern wird sich das Kabinett darum bemühen müssen, ein erneutes Abrutschen der Konjunktur zu verhindern. Die ehemalige Notenbankerin Janet Yellen weiss aus Erfahrung, wie wichtig grosszügige Hilfspakete in dieser fragilen Phase der wirtschaftlichen Erholung sind.

Aussenpolitisch wird das Weisse Haus in einem ersten Schritt den Versuch unternehmen, die Beziehungen zu den Verbündeten Amerikas auf ein neues Fundament zu stellen. Tony Blinken, der einen Teil seiner Kindheit in Paris verbracht hat, ist gut vertraut mit europäischen Gegebenheiten. Der neue Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan wiederum reiste an der Seite von Aussenministerin Hillary Clinton rund um die Welt.

Allein mit Diplomatie lässt sich das grösste aussenpolitische Problem Amerikas allerdings nicht lösen: Früher oder später wird Präsident Biden entscheiden müssen, ob Amerika im Verhältnis zu China einen «Wandel durch Annäherung» bevorzugt oder ob er – zum Schutz der liberalen westlichen Demokratien – einen neuen Kalten Krieg riskiert.

Die Vorschusslorbeeren, mit denen Bidens Ministerkandidaten nun überhäuft werden, verwelken bald. Letztlich ist es dem Durchschnittsamerikaner ziemlich egal, welche Universität der Aussenminister besuchte (Harvard! Columbia!) und wie jung der Sicherheitsberater ist (bald 44 Jahre). Entscheidend ist der Erfolg. Und ob es Präsident Biden gelingt, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass sein Team nur das Beste für Amerika will.