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Joe Biden will am Dienstag bekanntgeben, wer seine wichtigsten Minister werden. Einige Personalien sind jetzt schon so gut wie sicher.
Amtsinhaber Donald Trump mag weiterhin behaupten, dass er die Präsidentenwahl gewonnen hat. Der rechtmässige Sieger aber lässt sich von den Zwischenrufen nicht beirren. Heute will Joe Biden, ab 20. Januar 2021 der 46. Präsident der USA, seine ersten Kabinettsmitglieder vorstellen. Klar ist jetzt schon, dass es zum Comeback des einstigen Präsidentschaftskandidaten und Obama-Aussenministers John Kerry kommen wird. Der 76-Jährige wird unter Biden offiziell zum präsidialen Klima-Sonderbeauftragten.
Biden hat versprochen, Ministerinnen und Minister um sich zu scharen, die Amerikas Vielfalt widerspiegelten. So soll etwa der kubanisch-stämmige Alejandro Mayorkas das Heimatschutzministerium übernehmen. Biden wird seinem Kabinett wohl auch grösseren Einfluss gewähren als der aktuelle Präsident, der seine Minister immer wieder überging.
Dass der ehemalige Journalist und passionierte Gitarrenspieler Aussenminister wird, hat Biden bereits bestätigt. Im Heer der Bürokraten, die den Politbetrieb in Washington am Leben halten, ist Antony «Tony» Blinken eine der interessantesten Figuren. Als Jugendlicher hat er neun Jahre lang in Paris gelebt, Weltläufigkeit verströmt er bis heute. Im Gegensatz zu vielen seiner Mitstreiter hat er aber kein Interesse daran, die ganze Welt von seiner Brillanz zu überzeugen.
Biden und Blinken kennen sich seit fast 20 Jahren. Nach dem Rücktritt von Präsident Bill Clinton stellte der damalige Senator Biden den Redenschreiber und Europa-Experten als Berater ein. Unter Präsident Obama stieg Blinken zur Nummer zwei im Aussenministerium auf. Ihm wird zugetraut, dass er die aufgewühlten Gemüter am Hauptsitz des «State Department» nach der turbulenten Amtszeit von Mike Pompeo beruhigen kann. Politisch ist Blinken ein Traditionalist: Er befürwortet multinationale Bündnisse wie die Nato oder die UNO und setzte sich unter Präsident Obama für eine militärische Intervention in Libyen und Syrien ein.
Seitdem Michèle Flournoy von 2009 bis 2012 als Nummer zwei des Verteidigungsministeriums amtierte, gilt sie als Verteidigungsministerin in spe. Dabei kommt der 59-Jährigen zugute, dass sie seit der Präsidentschaft von Bill Clinton innig mit strategischen Fragen vertraut ist und als famose Netzwerkerin gilt. 2016 gründete sie zusammen mit Tony Blinken ein Beratungsunternehmen. Die Harmonie mit ihrem künftigen Regierungskollegen stimmt also auch.
Die beiden ticken sehr ähnlich: Auch Flournoy, die als erste Frau die Geschicke des Pentagons leiten würde, ist eine Interventionistin. Ihr Führungsstil gleicht jenem von Joe Biden: Flournoy ist eine gute Zuhörerin und versucht, mit Argumenten zu überzeugen, nicht mit Lautstärke. Ihre künftigen Mitarbeiter im Pentagon, das unter Präsident Trump fünf Chefs hatte, werden dies zu schätzen wissen.
Als sich Doug Jones im Jahr 2017 im konservativen Alabama um einen Sitz im Senat bewarb, verzichtete der Demokrat darauf, die nationale Parteiprominenz in seinen Wahlkampf einzuspannen. Einzig Joe Biden nahm für ihn einen Werbespot auf.
Überraschend war dies nicht: Die beiden kennen sich seit mehr als 40 Jahren. So unterstützte Jones schon in den Achtzigerjahren den ersten, erfolglosen Präsidentschaftswahlkampf von Biden. Dieser wiederum setzte sich in den Neunzigerjahren für Jones ein, als der von Präsident Clinton zum Staatsanwalt im Norden Alabamas ernannt wurde. In dieser Rolle profilierte sich Jones als hartnäckiger Anklagevertreter: So brachte er zwei Rassisten vor Gericht, die 1963 einen Sprengsatz in einer Kirche in Birmingham gezündet und vier schwarze Kinder ermordet hatten.
Die Ernennung von Jones zum Justizminister wäre ein deutliches Signal an Demokraten und Republikaner. Jones, der im November aus dem Senat abgewählt wurde, ist kein Scharfmacher, der sein Ministerium politisch instrumentalisieren würde. Aber sollte er zum Schluss kommen, dass unter Präsident Trump einzelne Amtsträger Gesetze gebrochen haben, dann würde Jones nichts unversucht lassen, sie vor Gericht zu bringen.