Flüchtlingskrise
Kampf gegen Schlepper: Die schwierige Mission der Senkrechtstarterin

Seit einem halben Jahr ist die 41-jährige Italienerin Federica Mogherini Aussenbeauftragte der EU – nun kämpft sie für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge und einen Militäreinsatz gegen Schlepperbanden.

Dominik Straub, Rom
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Ein Liebling der Medien Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini.jpg

Ein Liebling der Medien Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini.jpg

Keystone

Nach dem Flüchtlingsdrama am 19. April mit rund 800 Toten hatte sie es angekündigt: «Die neue Tragödie ist inakzeptabel; die EU muss ohne zu zögern Massnahmen ergreifen», betonte Mogherini. Seither kämpft die 41-jährige gebürtige Römerin den politischen Kampf ihres Lebens: Als EU-Aussenbeauftragte und Vizepräsidentin der EU-Kommission will sie den von Libyen aus operierenden Schlepperbanden das Handwerk legen; gleichzeitig strebt sie eine gerechtere Verteilung der vorwiegend in Italien ankommenden Flüchtlinge auf alle EU-Mitgliedsländer an.

In beiden Punkten hat sie in den letzten Tagen zumindest einen Anfangserfolg erzielt: Am Montag haben die EU-Aussen- und -Verteidigungsminister ihrem Konzept für ein militärisches Vorgehen gegen die Schlepperbanden im Grundsatz zugestimmt. Und vor einer Woche bekannte sich die EU zum ersten Mal zur Einführung einer zumindest provisorischen Quotenlösung.

Als zu unerfahren kritisiert

Das ist bemerkenswert für die politische Senkrechtstarterin, die auch in ihrer Heimat noch vor wenigen Monaten weitgehend unbekannt gewesen und der am Anfang viel Skepsis entgegengeschlagen war. Als der sozialdemokratische Premier Matteo Renzi seine Parteigenossin Mogherini im Februar 2014 zur neuen Aussenministerin Italiens machte, ging ein Raunen durch das Land. Und nachdem sie von Rom kurz darauf als neue Hohe Repräsentantin für die EU-Aussen- und -Sicherheitspolitik vorgeschlagen wurde, war man auch in Brüssel irritiert: Zu unerfahren sei Mogherini, tönte es aus verschiedenen Staatskanzleien; zu russlandfreundlich überdies, fanden diverse Vertreter des ehemaligen Ostblocks.

Im Unterschied zu ihrer Amtsvorgängerin, der farb- und glücklosen Britin Catherine Ashton, avancierte die blonde Italienerin jedoch bald zu einem Liebling der Medien. Die ehrgeizige Tochter eines Regisseurs begann gleich nach ihrem Amtsantritt im November 2014 mit einer ausgiebigen Reisetätigkeit durch die Krisengebiete Europas und der Welt und liess kaum einen Vorfall oder Entscheid unkommentiert. In Brüssel legte sich die anfängliche Skepsis: Mogherini wird attestiert, immer bestens vorbereitet an Sitzungen zu erscheinen und über eine exzellente Kenntnis der EU-Aussendossiers zu verfügen. Und im Unterschied zu ihrem Förderer Renzi blamiert sie sich auch nicht ständig mit einem peinlichen Englisch: Sie spricht vier Sprachen fliessend.

Kaum Entscheidungskompetenz

Das Problem der zweifachen Mutter Mogherini ist nicht ihre angebliche aussenpolitische Unerfahrenheit, sondern ihr Amt: Da die einzelnen EU-Länder eifersüchtig darauf achten, ihre Aussenpolitik weiterhin autonom gestalten zu können, verfügt die EU-Aussenbeauftragte letztlich kaum über eigene Entscheidungskompetenzen. Besonders augenfällig war dies bei der Zuspitzung der Ukraine-Krise im Februar, als die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident François Hollande ohne Mogherini nach Moskau reisten, um mit Russlands Präsident Wladimir Putin über eine Lösung zu verhandeln. Die Übergangene machte gute Miene zum bösen Spiel: Das sei eben «effiziente Aufgabenteilung».

Auch in der Flüchtlingspolitik wird am Ende nicht Mogherini entscheiden. Das letzte Wort bezüglich der Verteilquoten werden im Juni die EU-Staats- und -Regierungschefs haben, und es wäre keine Überraschung, wenn der Gipfel mit einer herben Enttäuschung für Mogherini und ihre Landsleute enden würde. Ähnlich liegen die Dinge beim Militäreinsatz gegen die Schlepperbanden: In diesem Fall wird es der UNO-Sicherheitsrat sein, der dem geplanten EU-Schiffe-Versenken in Libyen zustimmen muss. In New York droht der umtriebigen Italienerin der nächste Dämpfer.