Nordkorea
Kim Jong-un will keine Propagandaballons mehr – und bringt jetzt sogar Südkorea zum Umdenken

Jahrelang betrieben südkoreanische Aktivisten an der Grenze eine «Aufklärung von aussen». Das ist jetzt strafbar.

Fabian Kretschmer
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Mit speziell präparierten Luftballons schicken Aktivisten seit Jahren Informationen über die Grenze nach Nordkorea.

Mit speziell präparierten Luftballons schicken Aktivisten seit Jahren Informationen über die Grenze nach Nordkorea.

Getty (Paju, 29. April 2016

Seit über 15 Jahren fährt Park Sang-hak alle paar Wochen ins Niemandsland an der innerkoreanischen Grenze. Im Gepäck seines Trucks führt er tausende politische Flugblätter und speziell präparierte Riesenballons mit sich. Mehr braucht der schmächtige Mann mit dem Charisma eines Freiheitskämpfers nicht, um für das nordkoreanische Regime zum Staatsfeind Nummer eins zu werden – jenem Regime, vor dem Park einst selbst geflohen ist.

Doch nun droht er auch in seiner Wahlheimat Südkorea zum Kriminellen zu werden. Denn vergangene Woche hat die Regierung in Seoul einen Gesetzentwurf verabschiedet, der das Schmuggeln von Flyern, USB-Sticks oder Bibeln über das verminte Grenzgebiet nach Nordkorea – sei es nun mit Ballons auf dem Luftweg als Flaschenpost über den Han-Fluss verbietet. Wer das Brudervolk im Norden weiter mit Informationen versorgt, muss mit einer Geldstrafe von rund 25000 Franken oder drei Jahren Gefängnis rechnen.

Südkoreas Aussenministerin Kang Kyung-wha räumte in einem Interview zwar ein, dass die Meinungsfreiheit durch das neue Gesetz eingeschränkt würde, doch die Wohl der Allgemeinheit wichtiger sei: «All das passiert in einer sehr sensiblen Gegend – der am stärksten militärisch hochgerüsteten Zone der Welt», sagte sie.

Bilder aus dem Ausland motivieren zur Flucht

Gefährlich sind die Informationskampagnen deshalb, weil sie den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un verärgern. Sein Regime wertet die Flugblattaktionen als Kriegserklärung. Kim Yo Jong, Schwester des Diktators, forderte im Juni die südkoreanische Regierung dazu auf, «ein Gesetz zu machen, um den menschlichen Abschaum zu stoppen». Wenige Tage später liess Pjöngjang das innerkoreanische Verbindungsbüro in der Demarkationslinie in die Luft sprengen.

Will weiterkämpfen: der Aktivist Park Sang-hak.

Will weiterkämpfen: der Aktivist Park Sang-hak.

Keystone

Dass Nordkorea so empfindlich auf die Aktivisten reagiert, ist nicht erstaunlich. Eine Studie der Organisation «Database Center for North Korean Human Information» hält fest, dass zwei Drittel aller nordkoreanischer Flüchtlinge, die sich später in Südkorea niederlassen, zuvor in ihrer Heimat mit Informationen aus dem Ausland in Berührung gekommen sind. Bei vielen haben die Infos aus dem wohlhabenden Ausland erst den Wunsch zur Flucht ausgelöst.

Einer, der wie kein zweiter um die «Gefahr» der freien Information weiss, ist Thae Yong-ho. Als einstiger Diplomat in der nordkoreanischen Botschaft in London zählt Thae zu den mächtigsten Überläufern des Regimes. Jahrelang hat er die Propaganda des Systems im Ausland vertreten, nun kämpft er auf der anderen Seite.

Nordkorea hat bis heute kein Internet

Für Yong-ho liegt die einzige Hoffnung auf Wandel in Nordkorea im freien Informationsfluss: «Es gibt viele Organisationen, die Informationen nach Nordkorea schmuggeln. Wir sollten sie unterstützen, damit die Bevölkerung aufgeklärt wird.» In Nordkorea gibt es bis heute kein Internet. Auch Telefonverbindungen ins Ausland sind untersagt.

Die südkoreanische Regierung muss sich nach dem jüngsten Entschluss deshalb nicht nur den Vorwurf gefallen lassen, demokratische Werte einzuschränken, sondern auch blind gegenüber den Menschenrechtsverbrechen Nordkoreas zu sein.

Zu handzahm verhalte man sich gegenüber der Diktatur im Norden, monieren Kritiker. Die Argumentation der südkoreanischen Regierung ähnelt dabei jener der politischen Linken im ehemals geteilten Deutschlands: Man wolle den Nachbarstaat nicht vergraulen, um die fragile Annäherung nicht zu gefährden.

Und Aktivist Park Sang-hak? Der hat bereits früher betont, dass es ihm «eine Ehre» wäre, für seine Initiative zu sterben. Er will mit seinen Flugblätter-Aktionen weitermachen. Das ist ihm die zukünftige Freiheit seiner nordkoreanischen Nachbarn wert.