Kommentar
Streit um Taiwan: China kann amerikanischen Politikerinnen nicht vorschreiben, welche Länder sie besuchen dürfen

Es geht nicht an, dass Peking einer amerikanischen Politikerin untersagt, nach Taiwan zu reisen. Die Vorgeschichte des Ukraine-Kriegs zeigt, dass sich Demokratien nicht wegducken dürfen.

Renzo Ruf, Washington
Renzo Ruf, Washington
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Die Demokratin Nancy Pelosi, Vorsitzende des Repräsentantenhauses in Washington, will in der parlamentarischen Sommerpause nach Taiwan reisen.

Die Demokratin Nancy Pelosi, Vorsitzende des Repräsentantenhauses in Washington, will in der parlamentarischen Sommerpause nach Taiwan reisen.

J. Scott Applewhite / AP

Natürlich: Niemand kann ein Interesse an einer bewaffneten Konfrontation zwischen Peking und Washington haben. Deshalb warnt, hinter verschlossenen Türen, nicht nur die chinesische Regierung vor den massiven Konsequenzen, die eine Visite der hochrangigen Demokratin Nancy Pelosi in Taiwan nach sich ziehen könnten. Auch Präsident Joe Biden scheint nicht begeistert über die Reisepläne seiner Parteifreundin zu sein.

Diese Reaktion des Weissen Hauses ist nachvollziehbar. Washingtons Politik gegenüber Taiwan, auf dem Punkt gebracht mit der vagen Phrase «strategische Mehrdeutigkeit», ist schon lange geprägt von Fingerspitzengefühl gegenüber dem kommunistischen Regime in Peking. Sie ist aber auch kurzsichtig.

China mag mittlerweile den Status einer Supermacht besitzen; Peking kann amerikanischen Zivilisten, die aus ihrer Verbundenheit zu Taiwan noch nie ein Geheimnis gemacht haben, aber nicht untersagen, eine Reise zu unternehmen.

Hinzu kommt: Der Ukraine-Krieg zeigt, wie wichtig symbolische Gesten wie eine rege Besuchsdiplomatie sind. Hätte die Regierung von Präsident Barack Obama im Jahr 2014 energischer auf die Invasion (und spätere Annexion) der Krim durch Russland reagiert, dann wäre die Lawine, die in diesem Jahr in der russischen Invasion der Ukraine endete, vielleicht nie ins Rollen gekommen.

Diktaturen registrieren umgehend, wenn Demokratien sich wegducken. Wenn Washington ein Interesse am Status Quo auf beiden Seiten der Strasse von Formosa hat, dann kann Pelosi im nächsten Monat nicht zu Hause bleiben.