Korea
Korea-Konflikt: Die Hoffnungen ruhen auf China

Peking steht unter Druck, seinen Einfluss auf Pjöngjang geltend zu machen. Derweil bekräftig US-Präsident Barack Obama die «Solidarität» der USA mit Seoul.

Jutta Lietsch, Peking
Drucken

Einen Tag nach dem nordkoreanischen Granatenangriff auf die Insel Yeonpyeong herrschten im Süden der geteilten koreanischen Halbinsel Zorn, Angst und Ratlosigkeit. Die Zahl der Todesopfer stieg auf vier. Ausser den zunächst gemeldeten zwei getöteten Soldaten wurden in den Ruinen eines Hauses auf der Insel die Leichen zweier Zivilbewohner gefunden. Unklar blieb weiterhin, ob es auch in Nordkorea Tote oder Verletzte gab, als die südkoreanische Armee Stellungen im Norden beschoss.

US-Flugzeugträger nach Korea

Zahlreiche Staaten unterstützten gestern Südkorea: US-Präsident Barack Obama bekräftigte in einem Telefongespräch mit seinem Amtskollegen Lee Myung Bak die «Solidarität» der USA mit Seoul, das zu Washingtons engsten Verbündeten zählt. Die Flotten beider Länder werden am Sonntag ein lange geplantes Manöver in den Gewässern vor der Halbinsel starten. Obama schickte den atombetriebenen Flugzeugträger «USS George Washington» von seinem Stützpunkt in Japan Richtung Korea.

Bislang haben alle Strafmassnahmen und Embargos das Regime des Machthabers Kim Jong Il nicht davon abhalten können, immer wieder gewaltsame Zwischenfälle zu provozieren und zugleich zielstrebig sein Nuklearprogramm fortzusetzen. Erst vor kurzem hatte Obama ein Dekret erlassen, das Amerikanern verbietet, mit der Daesung-Bank und einer weiteren Firma aus Nordkorea zusammenzuarbeiten. Begründung: Beide seien für Pjöngjang in den Drogenhandel und in andere illegale Geschäfte verwickelt.

Carter fordert neue Strategie

Die eher hilflos wirkende Massnahme macht die Unsicherheit in der US-Regierung deutlich, wie sie mit dem schwierigen Nordkorea umgehen soll. Ex-Präsident Jimmy Carter rief Obama gestern in einem Kommentar der «Washington Post» dringend dazu auf, eine neue Strategie zu versuchen und sich nicht zu eng an die südkoreanische Regierung zu binden. Statt weiterhin darauf zu bestehen, dass Nordkorea als Vorbedingungen für ernsthafte Verhandlungen sein Atomprogramm vollständig aufgibt, müsste Washington dringend mit Kim direkt über einen Friedensvertrag verhandeln, forderte Carter.

Ähnlich argumentieren Korea-Fachleute in China, die den jüngsten Artilleriebeschuss als Versuch Pjöngjangs verstehen, die USA zu einem Dialog zu zwingen. «Nordkorea macht Druck, zu den Verhandlungen zurückzukehren», erklärte Cui Zhiying von der Tongji-Universität in Schanghai. Cui meint die Sechsparteiengespräche, die seit fast zwei Jahren unterbrochen sind. Ziel ist eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel. Derweil sondierte der amerikanische Sondergesandte Stephen Boswell die Lage in Peking.

Auch Peking wurde überrascht

Nach einem Treffen mit chinesischen Diplomaten hiess es vage: «Beide Seiten glauben, dass alle Parteien gemeinsame Anstrengungen unternehmen sollten, um die Bedingungen für eine Wiederaufnahme der Sechsparteiengespräche zu schaffen.» Nach dem jüngsten Zwischenfall richten sich die Blicke wieder nach Peking. Viele Staaten hoffen, die Chinesen könnten auf ihre nordkoreanischen Verbündeten einwirken, sich weniger aggressiv aufzuführen. Doch Pekinger Funktionäre werden nicht müde zu erklären, dass sie «wenig Einfluss» auf die Entscheidungen des Kim-Regimes haben. Auch Peking scheint von der Militäraktion Nordkoreas überrascht worden zu sein. Weniger diplomatisch reagierten chinesische Medien: Die «Global Times» bezeichnete den Angriff als «Tragödie in Nordostasien». Ein derartiges Verhalten der beiden koreanischen Staaten nutze weder dem Norden noch dem Süden», kommentierte das Blatt.