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Die Partei «Vetëvendosje!» (Selbstbestimmung!), die wählerstärkste politische Kraft im Kosovo, hat sich gespalten. Faton Topalli (54), schweizerisch-kosovarischer Doppelbürger und Abgeordneter im kosovarischen Parlament, ist einer der Abtrünnigen. Topalli erklärt, was die Spaltung für den Kosovo bedeutet, wer jetzt gegen die Korruption kämpft und wieso es keine Tränengasaktionen im Parlament mehr geben wird.
Seit etwa anderthalb Jahren wuchs die Unzufriedenheit innerhalb der Partei mit der Art und Weise, wie die Partei geführt wurde. Es wurden politische Entscheide getroffen, ohne sie vorgängig mit den Parteiorganen zu besprechen. Zum Beispiel wurden bei Protesten und Kundgebungen Molotov-Cocktails geworfen und Gerichten wurde der Gehorsam verweigert. Jeder, der nicht mitmachte, wurde als Verräter abgestempelt. Eine offene Diskussion innerhalb der Partei zu den wichtigen nationalen Fragen gab es nicht mehr.
Der Populismus wächst dort, wo die Politik keine Lösungen hat. Die Partei "Vetëvendosje!" hat zwar Themen lanciert, in Wirklichkeit aber keine Lösungen präsentiert. Viele Unzufriedene, die mit der Situation im Kosovo nicht glücklich waren, sind zu uns gekommen: Nationalisten, Ultrarechte aber eben auch Ultralinke. Die wollte ich nicht alle vertreten. Ich bin Sozialdemokrat, gehöre in der Schweiz der SP an. Mit Ultrarechten und Ultralinken und mit Kreisen, die den Islam in die Politik einbringen wollen, habe ich nichts gemeinsam. Auch bin ich – anders, als es die offizielle Position der Partei verlangt – für Gespräche mit Serbien ohne Vorbedingungen.
Als ich mich für Reformen innerhalb der Partei stark machte, wurde ich kritisiert, beleidigt und beschimpft.
"Vetëvendosje!" verliert sicher an Einfluss, da haben Sie Recht. Wir streben aber nicht nach Macht, sondern nach Veränderungen. Und Sie können sich vorstellen, was es bedeutet, wenn eine Partei an die Macht käme, die für keinerlei Veränderung offen ist. Ich persönlich sehe Demokratie eben nicht nur als Wert, sondern als verpflichtende Norm.
Der Bruch begann zum Zeitpunkt, als er erkannte, dass interne Reformen nicht möglich sind. Shpend Ahmeti ist nach «Vetëvendosje!»-Chef Albin Kurti der zweitbestgewählte Politiker der Partei. In seinem Rücktrittsschreiben erklärte er seine Unzufriedenheit über die Art und Weise, wie Entscheide getroffen und wie Andersdenkende behandelt wurden.
Wir sind eine Gruppe von elf Abgeordneten, welche Reformen verlangen. Vielleicht kommen noch einige dazu. Auf unserer Seite sind sieben der zehn bestgewählten Abgeordneten der «Vetëvendosje!». Wir sind im Gespräch miteinander, haben aber noch nicht entschieden, wie es weiter geht.
Ich bin dafür, dass wir eine neue Partei gründen mit sozialdemokratischer Orientierung, ja.
Das Land braucht Reformen in der Gesetzgebung, Verbesserungen im ganzen Staatsystem, Innovation für wirtschaftliche Entwicklung, eine Politik die das Land einigt im Kampf gegen Korruption. "Vetëvendosje!" war sehr gut darin, die Zustände zu kritisieren, aber weniger gut darin, innovative Lösungen zu präsentieren. Wir wissen zwar, wie Kurti seine Partei regierte. Wie er aber das Land regieren würde, das lässt sich kaum sagen.
Sie können sich schon die Hände reiben, wir bleiben aber in der Opposition. Zusammen mit der LDK (Anm.: konservative Oppositionspartei) und der "Vetëvendosje!" bilden wir eine starke Opposition. Wir sind bereit, mit allen zusammenzuarbeiten, die die Korruption bekämpfen, den Staat aufbauen, demokratische Strukturen und gute Bedingungen für wirtschaftliche Fortschritte schaffen wollen.
Die Partei hat sich sicher gegen Korruption eingesetzt. Zu glauben, «Vetëvendosje!» hätte je eine absolute Mehrheit erreichen und alleine regieren können, war aber illusorisch. Korruption kann nur gemeinsam und durch Systemänderungen bekämpft werden.
Die Frage nach den politischen Methoden war einer der Gründe der Spaltung. Tränengas ist nicht mehr innovativ.