Die Nato-Partner blicken dem Gipfeltreffen nervös entgegen. Die Frage lautet nicht ob, sondern wie Donald Trump dort Dampf ablassen wird.
Nichts hasst man im Nato-Hauptquartier mehr als Unsicherheit. Doch das zweitägige Gipfeltreffen von Mittwoch und Donnerstag ist genau von diesem Gefühl geprägt. Der Grund für die Nervosität: Keiner weiss, was US-Präsident Donald Trump vorhat. Klar ist nur: Trump ist mit dem Zustand der transatlantischen Verteidigungsallianz alles andere als zufrieden.
Er fühlt sich über den Tisch gezogen und fordert ultimativ, dass die Nato-Partner endlich 2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Verteidigung investieren, so wie es beim Gipfel in Wales von 2014 beschlossen wurde. Unvergessen bleibt die Standpauke, die Trump den versammelten Staats- und Regierungschefs vor einem Jahr anlässlich der Eröffnung des neuen Nato-Hauptquartiers in Brüssel gehalten hat. Dass etwas Ähnliches wieder geschehen könnte, ist die grösste Sorge der Organisatoren. Vorsorglich sollen schon mal Notfallpläne erarbeitet worden sein.
Diskutiert wird eine vorzeitige Abreise des US-Präsidenten, Twitter-Tiraden oder sonstige Kurzschluss-Reaktionen wie die Sistierung der US-Beteiligung an Nato-Übungen. Dann, so heisst es, müssten die übrigen Nato-Staaten eng zusammenstehen.
Denkbar ist auch, dass der US-Präsident seine Zustimmung zur gemeinsamen Abschlusserklärung verweigert, so wie er es auch beim G7-Gipfel in Kanada getan hat. Zwar ist das Dokument bereits am Wochenende – natürlich unter einvernehmlicher Mitarbeit der Amerikaner – fertiggestellt worden. Doch gibt es keine Garantie, dass Trump nicht kurzfristig entscheidet, das Bekenntnis der Europäer zu einem grösseren militärischen Engagement sei ihm nicht deutlich genug.
Den Hauptteil seines Ärgers zieht bekanntlich Deutschland auf sich. Immer wieder reklamiert Trump, Deutschland nutze die USA in Sachen Verteidigung aus. Zuletzt vor wenigen Tagen, als er sich bei einer Parteiveranstaltung im Bundesstaat Montana direkt an Bundeskanzlerin Angela Merkel wandte.
Trump: «Weisst du, Angela, ich weiss nicht, wie viel Schutz wir bekommen, indem wir euch beschützen. Und dann gehen sie raus und machen einen Gas-Deal, wo sie Milliarden über Milliarden Dollar an Russland zahlen. Sie wollen vor Russland beschützt werden – und trotzdem zahlen sie Russland Milliarden Dollar. Und wir sind die Deppen, die das bezahlen.» Deutsche Nato-Diplomaten versuchen, sich nichts anmerken zu lassen. Stoisch wiederholen sie, dass Deutschland der zweitgrösste Truppensteller innerhalb der Nato sei, am zweitmeisten zur Finanzierung der laufenden Operationen beiträgt und mit dem Aufbau einer neuen Nato-Kommandozentrale in Ulm Verantwortung übernehme.
Ohnehin versuchen die Deutschen immer wieder zu erklären, man könne die Verteidigungsausgaben nicht ohne weiteres mit dem BIP aufrechnen. Würde Deutschland tatsächlich bis 2024 2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung ins Militär stecken, käme das wegen des rasanten Wirtschaftswachstums einer Verdoppelung von heute knapp 43 Milliarden auf über 80 Milliarden Euro gleich. Stattdessen peilt Berlin die Erhöhung von derzeit 1,2 Prozent auf 1,5 Prozent an. Das sei angesichts der positiven Wirtschaftsprognosen immer noch sehr viel Geld, heisst es. Die Verteidigungsausgaben würden damit innert zehn Jahren um 80 Prozent steigen.
Dem US-Präsidenten jedoch dürfte dies nicht genug sein. «Ich werde der Nato sagen, dass sie ihre Rechnungen bezahlen müssen», sagte Trump in Montana. 2 Prozent sind demnach 2 Prozent – Punkt. Ein möglicher Eklat beim Gipfel wird auch deshalb gefürchtet, weil Trump vier Tage später in Helsinki den russischen Präsidenten Wladimir Putin trifft. Lässt Trump die Nato-Partner auflaufen und hofiert wenig später Putin – der Schaden wäre doppelt so gross.