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Unruhen nach der Präsidentenwahl – doch die Krawalle in der Hauptstadt Libreville richten sich längst nicht nur gegen Ali Bongo, sondern die ganze kleptokratische Führungskaste des Landes.
Rauchende Barrikaden und verkohlte Fahrzeuge säumten am Donnerstag den Boulevard Triomphal, die Verkehrsachse von Libreville. Polizei und Armee patrouillierten in der ganzen Hauptstadt; sie verhafteten 200 «Plünderer» und stürmten das Hauptquartier des Oppositionspolitikers Jean Ping. Ihm zufolge starben dabei zwei Wahlhelfer.
Sein Rivale, der amtierende Präsident Ali Bongo, hatte sich am Vortag mit 49,8 Stimmenprozent für wiedergewählt erklärt. Auch Ping (offiziell 48,2 Prozent) beansprucht aber den Wahlsieg. Bongo verdankt seinen knappen Vorsprung einem «sowjetischen» Resultat von 95 Prozent in seiner Herkunftsprovinz. Von 50 Personen abgesehen sollen dort sämtliche 71 000 Stimmberechtigten an die Urnen gegangen sein, was offiziell zu einer regionalen Wahlbeteiligung von 99,93 Prozent führte.
Die EU und die ehemalige Kolonialmacht Frankreich verlangen die Offenlegung der Resultate in jedem Wahlkreis. Ali Bongo verweigert dies aber fürs Erste. Der 58-jährige Präsident war 2009 seinem angeblichen Vater Omar Bongo gefolgt, der nach 42 Jahren an der Macht gestorben war.
Wie sein – wahrscheinlich nicht leiblicher – Vater genoss er die Gunst französischer Präsidenten wie Nicolas Sarkozy, die im erdölreichen Gabun namentlich die Interessen des Energiekonzerns Total vor Augen haben. Der seit fünf Jahrzehnten herrschende steinreiche Bongo-Clan wird von den 1,8 Millionen Gabunern – von denen nahezu die Hälfte in Libreville lebt – nur «Ali Baba und die 40 Räuber» genannt.
Das heisst aber nicht, dass Ping viel populärer wäre. Der 73-jährige Sohn einer Gabunerin und eines Chinesen ist ebenfalls ein Reinprodukt der Bongo-Dynastie. «Le Chinois», wie er genannt wird, war mehrfach Minister und zudem Lebenspartner von Pascaline Bongo, der mächtigsten Schwester Ali Bongos.
Im Wahlkampf paktierte er mit anderen Veteranen des Herrscherclans, um Ali Bongo aus dem Amt zu boxen. Dieser hatte immerhin jüngere Technokraten in die Regierung geholt, um das Land von der Ölabhängigkeit zu befreien und wirtschaftlich etwas zu diversifizieren.
Gabun könnte wegen seiner Bodenschätze ein wohlhabendes Land sein; die Bevölkerung lebt aber in bitterer Armut, während sich die 55 Erben von Bongo senior um die Erdölpfründe balgen. Die Krawalle in Libreville richten sich längst nicht nur gegen Ali Bongo, sondern die ganze kleptokratische Führungskaste des Landes, das Ping-Lager eingeschlossen.
Am Mittwoch waren Hunderte Jugendlicher aus den umliegenden Elendsquartieren ins Stadtzentrum geströmt und hatten auch das Parlament – wo Bongos Demokratische Partei Gabuns (PDG) 114 von 120 Sitzen belegt – in Brand gesteckt.
Eine schnelle Beruhigung der Lage erwartet niemand. Früher wäre das Schicksal Gabuns von Paris aus geregelt worden. Ali Bongo reiste in den letzten Monaten mehrfach in die französische Hauptstadt, um François Hollande, aber auch Unternehmer oder Verleger einflussreicher Zeitungen wie «Le Monde» zu treffen.
Der französische Präsident hatte in der Vergangenheit zwar mehrfach versprochen, er werde mit dem postkolonialen Klientelsystem der «Françafrique» – zu deren Grundpfeilern der Bongo-Clan gehört – aufräumen. Da Frankreich aber auch mit einem Präsidenten Ping leben könnte, verhält es sich bis auf weiteres neutral. Die 900 Soldaten der französischen Garnison am Stadtrand von Libreville – die in Gabun seit der Unabhängigkeit im Jahre 1960 «éléments français» genannt werden – sind bisher nicht in Aktion getreten.
Allein schon ihre Anwesenheit verleiht den «Empfehlungen» aus dem fernen Paris jeweils viel Gewicht. Bisher forderte Aussenminister Jean-Marc Ayrault aber bloss die 10 000 Franzosen in Gabun auf, zu Hause zu bleiben.