Ukraine
Krim-Schicksalsfrage: Ein «Nein» auf dem Stimmzettel gibt es nicht

Über was wird am Sonntag auf der Krim abgestimmt? Ist die Abstimmung rechtlich bindend? Wie geht es nachher weiter? «Die Nordwestschweiz» beantwortet die sieben wichtigsten Fragen zum Referendum auf der ukrainischen Halbinsel.

Dagmar Heuberger
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Wahlhelferinnen bereiten das Referndum vor.

Wahlhelferinnen bereiten das Referndum vor.

Keystone

Worüber stimmen die rund zwei Millionen Stimmberechtigten auf der Krim am Sonntag ab?

Es sind genau genommen zwei Fragen: «Sind Sie für die Wiedervereinigung der Krim mit Russland?» und «Sind Sie für die Wiederherstellung der Verfassung von 1992 und den Status der Krim als Teil der Ukraine?»

Dann kann die Krim doch darüber entscheiden, ob sie zu Russland will oder bei der Ukraine bleiben möchte?

Nein. Die in der Frage erwähnte Verfassung war ein Versuch prorussischer Kräfte, die Krim von der Ukraine zu lösen. Sie wurde von der Zentralregierung in Kiew nie akzeptiert. Mit der Verfassung von 1992 wurde eine quasi unabhängige Republik Krim ausgerufen, die formal im Staatsverband mit der Ukraine war. Sie legitimierte die Halbinsel, Beziehungen zu unterhalten, mit wem sie wollte - Russland inbegriffen. Da das prorussische Parlament der Krim bereits für den Beitritt zu Russland gestimmt hat, bedeutet ein Kreuz hinter der zweiten Frage lediglich, dass es etwas länger dauern dürfte, bis Russland die volle Kontrolle über die Krim übernimmt.

Der Beitritt der Krim zu Russland ist also praktisch sicher?

Ja, denn es gibt auf dem Stimmzettel keine Möglichkeit, ein «Nein» anzukreuzen. Zudem spricht auch die Bevölkerungsstruktur für das Ja zum Beitritt: Knapp 60 Prozent der Einwohner sind Russen, etwa 25 Prozent Ukrainer und rund 12 Prozent Krimtataren. In Umfragen sprachen sich zuletzt zwar nicht alle Russen für den Beitritt aus. Doch der Druck, der von den sogenannten prorussischen «Selbstverteidigungskräften» ausgeübt wird, ist gross. Die Krimtataren boykottieren das Referendum.

ist das Referendum rechtlich bindend?

Nein, es verstösst gegen die ukrainische Verfassung. Die Verfassung der Ukraine erlaubt der Bevölkerung der Krim zwar Volksentscheide zu politischen Fragen. Über territoriale Veränderungen, konkret über die Abspaltung einer Region wie der Krim, müssen aber die Stimmberechtigten in der ganzen Ukraine abstimmen können. Zudem findet das Referendum zu einem Zeitpunkt statt, zu dem die Krim von Russland quasi militärisch besetzt ist. Das verstösst gegen internationales Recht. Einige Völkerrechtler sind sogar der Ansicht, dass die Ukraine sogar das Recht hätte, militärisch einzugreifen, um ihre territoriale Integrität wiederherzustellen.

Ist mit einem bewaffneten Konflikt zu rechnen?

Eher nicht. Zwar protestiert die ukrainische Regierung und hat ihrer Armee den Befehl zur vollen Kampfbereitschaft gegeben. Sollte Kiew aber tatsächlich versuchen, die Krim mit Gewalt zurückzuerobern, dürfte Moskau seine Drohung wahrmachen und militärisch eingreifen. Gegen die russischen Truppen hätte die ukrainische Armee jedoch keine Chance.

Wie geht es nach dem Referendum weiter?

Die selbst ernannte Krim-Führung will danach dem Kreml noch einmal ihren Beitrittswunsch übermitteln. Moskau hat bereits ein Sondergesetz erlassen, das eine unkomplizierte Aufnahme der Krim ermöglicht. Der Föderationsrat, die zweite Kammer des russischen Parlaments, hat bereits Zustimmung zu dem Sondergesetz signalisiert und will sich am kommenden Freitag damit befassen. Die letzte Entscheidung liegt bei Präsident Wladimir Putin.

Bekommen die Bewohner der Krim dann russische Pässe?

Ja. Allerdings verspricht die Führung der Krim, dass jeder Bürger der Krim seine Staatsangehörigkeit frei wird wählen können. Weiter soll der Rubel als Landeswährung eingeführt und Russisch offizielle Amtssprache werden. Ausserdem müssen die ukrainischen Soldaten die Halbinsel verlassen. Rusam Temirgalijew, der Vizeregierungschef der Krim, sagt: «Ich will keine ukrainische Uniform auf einer russischen Krim sehen.»