Österreich
Bundeskanzler Sebastian Kurz öffnet ab Mitte Mai - trotz einer gefährlichen Mutante, die in Tirol um sich greift

Österreichs Kanzler hat seinen Weg aus dem Lockdown vorgelegt. Derweil könnte eine neue Virus-Variante die Impfwirkung herabsetzen.

Stefan Schocher aus Wien
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Bundeskanzler Sebastian Kurz stellt seine Öffnungspläne vor.

Bundeskanzler Sebastian Kurz stellt seine Öffnungspläne vor.

Helmut Fohringer / APA/APA

Verhandlungen über Öffnungen kommen in Wien meist einem Kulturkampf zwischen Politik und Experten gleich. So auch diesmal. Ab Mai wird es Öffnungen geben, so die Vorgabe von Kanzler Sebastian Kurz. Unter Experten schwankten die Kommentare dazu zwischen vorsichtig optimistisch und skeptisch, zur Vorsicht mahnend.

Um die laut Kurz «letzten Meter dieser Pandemiebekämpfung» einzuläuten, hatte sich die Bundesregierung einen noblen Rahmen verschrieben: die Hallen des Weltmuseums in der Wiener Hofburg. Ab Pfingsten sollen österreichweit wieder Gastronomie, Tourismus, Sport und Kultur öffnen, wie Kanzler Kurz am Freitag bekannt gab.

Auch der Schulunterricht soll wieder in den Normalbetrieb wechseln. Und im Kultur- wie Sportbetrieb werden Veranstaltungen mit maximal 1400 (drinnen) oder 3000 (draussen) Gästen erlaubt sein. All das aber unter Auflagen und mit Einschränkungen. Für alle geöffneten Bereiche (ausgenommen Schulen) wird ein Grüner Pass notwendig sein – also ein Nachweis der negativen Testung, Genesung oder Impfung.

Nach dem Willen der Bundesregierung ist das aber noch nicht das Ende der Fahnenstange: In weiterer Folge sollen die Massnahmen nach und nach zurückgenommen werden. Mit 1. Juli, so Kurz, würden dann in einzelnen Bereichen alle Einschränkungen fallen.

Biontech-Impfung soll weniger wirksam sein

Die regionalen Unterschiede sind allerdings gross. In Wien und Niederösterreich etwa gilt noch ein harter Lockdown. Da gehen die Zahlen jetzt aber rasant zurück. In Vorarlberg wiederum, das als Modellregion für die Öffnung seit März Gastronomie und Kultur geöffnet hat, haben sich die Infektionszahlen seither vervierfacht. Und in Tirol gilt zwar kein Lockdown, aber die Abriegelung der Region (die Ausreise ist nur mit negativem Test möglich) wurde erst bis Anfang Mai verlängert.

Und das hat einen bedrohlichen Grund: eine erst unlängst aufgetauchte neue Mutation. Konkret handelt es sich dabei um eine, die Eigenschaften der bekannten Mutationen E484K (südafrikanische Variante) und der B.1.1.7 (britische Variante) vereint. Das bedeutet: Die Variante ist so ansteckend wie die britische Mutation und so gefährlich wie die südafrikanische.

Vor allem aber auch: Die gängigen Impfungen bieten womöglich kaum oder keinen Schutz. Diese Immun-Flucht-Mutation mache ihr «echte Sorgen», so die Virologin Dorothee von Laer von der Meduni Innsbruck. Die Variante hat in Tirol bereits weite Verbreitung.

Impfschutz laut Studie um das Zehnfache reduziert

Laut einer im Fachblatt «Nature» veröffentlichten Studie aus Laborversuchen minimiert die neu aufgetauchte Variante den Schutz der Biontech/Pfizer-Impfung um das Zehnfache.

Regionale Massnahmen soll es demnach auch künftig geben. Kurz sprach von lokalen Verschärfungen, die Landeshauptleute vornehmen könnten. Nur: Vor den Verhandlungen über eine Öffnung in Wien war es ausgerechnet der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, der am lautesten für Öffnungen eintrat. Auch Platter sieht Tirol und Österreich in der Bewältigung der Pandemie auf den letzten Metern eines Marathons.

Die epidemiologische Lage in Tirol bezeichnete Platter als im Griff und verwies auf sinkende Infektionszahlen. Auf welche Zahlen er sich da genau berief, ist allerdings unklar. Aktuell hat Tirol die höchste Inzidenz unter den Bundesländern Österreichs. Eine Tendenz nach unten ist nicht auszumachen.

Die Virologin von Laer plädiert derweil dafür, dass es Öffnungen keinesfalls für Regionen geben könne, in denen Immun-Flucht-Mutationen grassierten. Von Laer sagt: «Ich hoffe, dass die Tiroler Landesregierung da bald reagiert.» Denn daran, dass die geltende Ausreise-Testpflicht zur Eindämmung der neuen Mutation ausreicht, hegt sie Zweifel.