Falls Norbert Hofer am Sonntag die Präsidentschaftswahlen gewinnt, wird es für die FPÖ viel leichter sein, ins Kanzleramt einzuziehen.
«I kenn die Leut, i kenn die Ratten, die Dummheit, die zum Himmel schreit, i steh zu dir bei Licht und Schatten, jederzeit. Do kann i mochn wos I wül, do bin i her do kea I hin, do schmützt des Eis von meiner Sö wia von am Gletscher im April.» Kurz vor der Wahl am Sonntag hat Rainhard Fendrich die inoffizielle Bundeshymne Österreichs, seinen Song «I am from Austria» zur Verfügung gestellt, um für Alexander Van der Bellen zu werben. Fendrich ist eine Ikone in Österreich. Sein Lied thematisiert die Geschichte, aber auch den Liberalismus, den man im heutigen Österreich geniesst und Fendrichs Trotzdem-Heimatliebe. Insofern passt es gar nicht so schlecht zu dieser Richtungswahl zwischen liberal und national.
Nach der Textzeile: «Ich bin dein Apfel, Du mein Stamm!», ist auf dem Youtube-Video, das den Song begleitet, Alexander Van der Bellen zu sehen, wie er dem österreichischen sozialdemokratischen Kanzler Christian Kern die Hand schüttelt. Vielen Linken geht es darum, Hofer zu verhindern und damit auch einen möglichen nächsten Bundeskanzler namens Heinz Christian Strache, den Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs. Die SPÖ hat sich deshalb ganz klar positioniert, obwohl ihre Wähler gespalten sind. Schliesslich würde Van der Bellen Strache nur als allerletzte Alternative als Kanzler akzeptieren.
Allerdings unterscheidet sich die Situation von der letzten Stichwahl im Mai. «Damals hat die SPÖ vor allem in Wien Sympathiebekundungen für Van der Bellen abgegeben, jetzt wird in der Wiener SPÖ intern über die Nachfolge von Michael Häupl als Bürgermeister und die inhaltliche Ausrichtung gestritten – für die Unterstützung Van der Bellens bleibt da wenig Zeit», meint der Politikwissenschafter Peter Filzmaier. Und auch der sogenannte «Kern-Effekt» kommt nicht mehr zum Tragen. Kern trat kurz vor Präsidentschaftswahl sein Amt an und vermittelte damals die Hoffnung, dass die Regierungskoalition nun weniger streiten und mehr arbeiten würde. Mittlerweile gehören die Streitereien allerdings wieder zum Koalitionsritual und der Kanzler ist nicht mehr ganz so «frisch».
In der konservativen ÖVP ist die Situation ohnehin anders – hier ist nun offen ein Richtungsstreit entbrannt. Während sich ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner und die Mehrheit der Parteielite für Van der Bellen aussprechen, liebäugelt ein anderer Teil der Partei mit einer künftigen schwarz-blauen Koalition, wie es sie bereits ab dem Jahr 2000 unter Wolfgang Schüssel gegeben hat. Vor ein paar Tagen hat sich der Chef des Parlamentsklubs der Konservativen, Reinhold Lopatka, deshalb für den Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer ausgesprochen. Mitterlehner erteilte Lopatka eine Rüge. Aber das Gerangel um die Positionierung der ÖVP wird wohl in den kommenden Monaten weitergehen. Denn die Frage geht auch von der Basis aus. Viele ÖVP-Wähler haben Hofer bereits bei der Stichwahl im Mai gewählt.
Jene, die bei der ersten Runde am 24. April noch dem ÖVP-Partei-Kandidaten Andreas Khol ihre Stimme gegeben hatten, teilten sich später in «zwei fast gleich grosse Hälften für van der Bellen und für Hofer», erinnert Filzmaier. «Das wird sich wahrscheinlich nicht mehr dramatisch ändern, gerade weil ja ÖVP-Politiker ebenso gespalten sind. Am ehesten Einfluss haben Bürgermeister, die sich jenseits der Medien in ihren Gemeinden für oder gegen einen Präsidentschaftskandidaten aussprechen.»
Die Wahl kann innenpolitische Folgen haben. Denn es ist entscheidend, ob der jeweilige künftige Bundespräsident eine von den Freiheitlichen mitgetragene Regierung akzeptieren wird. Das ist nur bei Hofer sicher. An die ÖVP wie an die SPÖ stellt sich zunehmend die Gretchenfrage: Wie hältst Dus mit der FPÖ? Denn laut den jüngsten Umfragen würde die FPÖ zurzeit bei einer Nationalratswahl 35 Prozent der Stimmen bekommen und damit auf Platz eins, dahinter SPÖ (27 Prozent), ÖVP (18 Prozent) und die Grünen (12 Prozent), liegen. Offen ist demnach, ob nach den Wahlen – die regulär 2018 – stattfinden sollen, überhaupt eine Mehrheit ohne die FPÖ gefunden werden kann.
Die jetzige sogenannten «Grosse Koalition» reagiert seit 2007. «Sie leidet darunter, dass SPÖ und ÖVP nur notgedrungen zusammenarbeiten – nach der Nationalratswahl 2013 gab es de facto keine anderen Mehrheiten, die sowohl politisch machbar als auch rechnerisch möglich waren. Im Grunde misstrauen sich aber beide Parteien und wollen nicht länger koalieren», erläutert Filzmaier die Atmosphäre. Er denkt auch nicht, dass die Wahl von Van der Bellen die Stimmung in der Regierung wirklich verbessern könnte. «Die einzige Folge wäre, dass jene in der ÖVP, die besonders stark eine Koalition mit der FPÖ wollen, weniger offensiv auftreten können – weil Van der Bellen als Präsident diese Koalition nur als Regierung akzeptieren würde, wenn wirklich alle anderen Varianten in den Koalitionsverhandlungen scheitern.»
Beide – ÖVP wie SPÖ – haben in den letzten Jahren sukzessive Wähler an die FPÖ verloren. Deshalb auch ist das gemeinsame Regieren so schwierig und die Ausbruchsversuche aus der Koalition mehren sich. Die SPÖ unter Kanzler Kern suchte erst vergangene Woche eine Annäherung an die Freiheitlichen. In einem öffentlichen Gespräch mit Strache sagte Kern: «So ein amikales Gespräch haben wir noch nie geführt. Es ist gut, zu sehen, dass wir beide eine gute Kinderstube haben.» Inhaltlich würden die beiden Parteien allerdings «mittlere Welten» trennen. Auf Gemeindeebene und im Bundesland Burgenland gibt es bereits eine Rot-Blaue Koalition. Ob Kanzler Kern mit der offengelassenen Option «Rot-Blau» auf Bundesebene lediglich seinen Verhandlungsspielraum erweitern wolle, oder sich das wirklich vorstellen könne, sei noch offen, meint Filzmaier.