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Der Pharmakonzern kann seine Verpflichtungen nicht einhalten und will 60 Prozent weniger Impfstoff im ersten Quartal ausliefern. Bei der EU-Kommission ist man verärgert und fordert Aufklärung. Von den Lieferausfällen könnte auch die Schweiz betroffen sein.
Der schwedisch-britische Impfstoffhersteller AstraZeneca sorgt in Brüssel für rote Köpfe: «Überraschend» sei man am Freitag informiert worden, dass die vereinbarte Menge an Impfmittel nicht geliefert werden könne. Die Rede ist von bloss 31 statt 80 Millionen Impfdosen im ersten Quartal. Das will man nicht einfach so auf sich sitzen lassen: «Der neue Zeitplan ist nicht akzeptabel», sagt Gesundheitskommissar Stella Kyriakides in einem aussergewöhnlich deutlichen Statement am Montag.
Man verlange umgehend Aufklärung darüber, wie viele Dosen produziert und wohin diese geliefert wurden. Anscheinend verdächtigt man den Konzern, für die EU reservierte Impfdosen an Dritte weiterverkauft oder versprochen zu haben. In Zukunft werde es eine Export-Genehmigungspflicht geben für in Europa ansässige Impfhersteller, wenn sie ihre Mittel über die EU-Grenzen hinaus verkaufen wollen, kündigte Kyriakides an.
The EU wants to know exactly which doses have been produced where by @AstraZeneca so far, and if, or to whom, they have been delivered.
— Stella Kyriakides (@SKyriakidesEU) January 25, 2021
The answers of the company during the Steering Board discussion have not been satisfactory so far. A second meeting is scheduled for tonight.
Der Streit birgt viel Zündstoff. Die EU-Kommission wurde in den vergangenen Wochen intensiv kritisiert, sie habe nicht rechtzeitig genug Impfstoff eingekauft. Nun will man sich offensichtlich nicht nochmals zum Sündenbock abstempeln lassen.
Insgesamt hat die EU 300 Millionen Impfstoff-Dosen von AstraZeneca bestellt, mit der Option auf zusätzliche 100 Millionen. Bis zum Ende der Woche soll das Vakzin die Zulassung erhalten. Mehrere Länder impfen bereits mit dem Mittel von AstraZeneca. Neben Grossbritannien zum Beispiel auch Indien.
Die Schweiz hat im Oktober einen Vertrag mit AstraZeneca über 5,3 Millionen Impfdosen abgeschlossen. Die Zulassung des Impfstoffes ist hängig, dürfte aber schon bald erfolgen.
Kommt es nun auch in der Schweiz zu Verzögerung und Lieferausfällen? Beim Bundesamt für Gesundheit kann man die Frage nicht beantworten. Man stehe mit dem Hersteller in Kontakt und überwache die Entwicklung der Produktionskapazität. Es sei aber von Anfang an klar gewesen, dass die weltweite Impfstoffknappheit eine Herausforderung sein werde. Deshalb habe man sich auch für einen diversifizierten Ansatz mit mehreren Herstellern entschieden, so eine BAG-Sprecherin. Auf konkretere Nachfragen zu möglichen Lieferausfällen wird auf die Corona-Medienkonferenz vom Dienstag verwiesen.
Fest steht: Basis des Vertrags, den die Schweiz im Oktober abgeschlossen hat, ist die Vereinbarung der EU-Kommission mit AstraZeneca. Die Schweiz erhält ihre 5,3 Millionen also vom 300 plus 100 Millionen EU-Kontingent. Genauer gesagt: Die schwedische Regierung gibt die Impfdosen der Schweiz zum Einkaufspreis weiter. Kommt es bei der EU-Bestellung aber jetzt zu Lieferausfällen und -verzögerungen, ist es zumindest naheliegend, dass das auch bei der Schweiz der Fall sein wird.