Die islamische Welt reagiert auf die Pariser Anschläge mit Betroffenheit. Der Terror wird zwar einhellig verurteilt, aber eine konsequente Bekämpfung ist nicht in Sicht.
Der libanesische Drusenführer Walid Jumblat ist einer der wenigen arabischen Politiker, der auch unbequeme Wahrheiten ausspricht. In mehreren Twitter-Kommentaren vergleicht er die Pariser Anschläge mit dem Terror des 11.September und warnt: «Nach dem Terror in Amerika schlitterte die Welt in das Chaos von Afghanistan und Irak». Noch grösseres Chaos stünde der Welt nach dem Attentaten von Paris bevor, befürchtet Jumblat, dessen apokalyptische Prophezeiungen sich schon häufig erfüllt haben.
«Dunkle Mächte» hätten in der französischen Hauptstadt dem Islam einen tödlichen Hieb versetzt, glaubt der eloquente Libanese. Die meisten Führer der arabischen Staaten äusserten sich zurückhaltender. Wortreich und routiniert verurteilen sie die «abscheulichen Anschläge» und rufen mit betroffener Miene dazu auf, die Anstrengungen zur «Ausmerzung der gefährlichen und zerstörerischen Plage des IS-Terrorismus» jetzt zu verdoppeln.
«Unser Königreich hat schon seit langem zu intensiveren Anstrengungen zur wirksameren Bekämpfung des Terrorismus aufgerufen», betonte der saudische Aussenminister Adel al-Jubeir zu Beginn der Wiener Syrien-Konferenz. Neue Ansätze lieferte er indes nicht. Saudi-Arabien fühlt sich zwar vom IS-Terror bedroht. Gleichzeitig verbreiten wahabitische Geistliche aber weiterhin den reaktionären Staatsislam, von dem sich die meisten Dschihadisten inspirieren lassen.
Der Grossimam der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmad al Tayyib, scheint dagegen erkannt zu haben, dass neue Wege gefunden werden müssen, um «dem IS-Monster» entgegenzutreten. Im Gegensatz zu vielen Politikern in der arabischen Welt sah man dem ägyptischen Geistlichen seine tiefe Betroffenheit auch an. Das war nach dem 11.September 2001 nicht anders. Die damals veröffentlichten Verurteilungen und guten Absichtserklärungen der arabischen Welt decken sich in der Wortwahl mit denen zum 13.November von Paris.
Nur der Hass zwischen den Konfessionen ist seither noch grösser geworden. Sunnitische Extremisten bejubeln den Tod schiitischer Zivilisten und haben nach dem Pariser Horror keinerlei Scheu, im Internet zu weiteren Mordanschlägen gegen die «Ungläubigen» aufzurufen.
Angesichts derartiger Appelle fällt es dem schiitischen Iran nicht schwer, sich dem Westen als Partner im Kampf gegen den Terrorismus anzudienen. Staatspräsident Hassan Rohani verurteilte die Pariser Anschläge als ein «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» und sagte seinen für die kommenden Tage geplanten Staatsbesuch in Frankreich ab. Auch die Türkei und Syrien brachten ihre Betroffenheit zum Ausdruck. Sowohl Recep Tayyib Erdogan als auch Baschar al Assad wiesen in ihren Kondolenzschreiben daraufhin, dass man «als Opfer von Terroristen die Leiden der Franzosen jetzt nachempfinden könne…»
Michael Wrase