In der Debatte um eine stärkere Besteuerung von Digitalkonzernen wie Google und Facebook hat der Luxemburger Regierungschef Xavier Bettel vor "kurzfristigen Zwischenlösungen" gewarnt. Er sei durchaus für eine "faire Besteuerung der Profite von Internetunternehmen", versicherte er am Mittwoch im EU-Parlament in Strassburg.
Diese müsse aber im Einklang stehen mit der globalen Wettbewerbsfähigkeit der EU. Daher solle eine Lösung gemeinsam mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gefunden werden.
Zur Forderung nach einer Steuerharmonisierung in der EU äusserte sich der liberale Regierungschef zurückhaltend. Eine "gewisse Harmonisierung" sei zwar auch im steuerlichen Bereich notwendig.
Dabei werde Harmonisierung aber oft mit Steuererhöhung gleichgesetzt. "Sollten wir (...) nicht im Interesse der globalen Wettbewerbsfähigkeit und der Steuerzahler (...) auch mal über Steuersenkungen reden können?", fragte Bettel ins Plenum.
Luxemburg gehört zu den Mitgliedsländern der EU, die internationale Konzerne mit besonders niedrigen Steuern anlocken. Im EU-Parlament erntete Bettel deswegen deutliche Kritik.
Luxemburg blockiere seit Jahren alle Vorstösse für mehr Steuerfairness, betonte der Ko-Vorsitzende der Grünen, der Belgier Philippe Lamberts. Dies sei "unwürdig" für ein Land, das vorgebe, sich für eine Stärkung der EU einzusetzen.
Auch Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der konservativen EVP, plädierte für mehr "Fairness" im Steuerbereich. Derzeit könnten Unternehmen in jenen Staat gehen, wo sie die geringsten Steuern zahlten. Arbeitnehmer hätten diese Möglichkeit meist nicht.
Die EU-Kommission hat im März einen Vorschlag zur Internet-Steuer vorgelegt. Dieser sieht als kurzfristige Lösung vor, grenzüberschreitend tätige Digitalkonzerne in der EU nicht mehr nach Gewinn, sondern nach Umsatz zu besteuern.
Grund ist, dass die Unternehmen sich in Europa weitgehend dem Fiskus entziehen, weil sie in den Ländern ihrer Kunden physisch nicht mit Filialen präsent sind. Nach Angaben der Brüsseler Behörde zahlen Digitalkonzerne weniger als die Hälfte der Steuern, die andere Unternehmen in Europa entrichten.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der ebenfalls im EU-Parlament sprach, forderte von den EU-Staats- und Regierungschefs beim kommenden EU-Gipfel im Juni ein klares Bekenntnis zu einer Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. "Jetzt ist der Moment gekommen, wo die Regierungen klar und deutlich Farbe bekennen müssen", sagte er im EU-Parlament.
"Die Frage ist, wollen wir ein europäisches Einlagensicherungssystem. Ich glaube nicht, dass das von heute auf morgen geht, aber man muss sich in diese Richtung bewegen", sagte Juncker.
Bettel sprach sich ebenfalls für eine Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit aus. Eine Vertiefung werde über kurz oder lang auch zur Erweiterung des Euro-Raums führen. "Eile mit Weile" sollte dabei das Motto lauten, so Bettel.
Seit diesem Jahr finden regelmässig Debatten mit einem EU-Staats- oder Regierungschef zur Zukunft der Europäischen Union im EU-Parlament statt. Bereits diskutierten die EU-Abgeordneten mit Irlands Premierminister Leo Varadkar, Belgiens Premierminister Charles Michel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
sda/afp/dpa/apa