Macht und Mord in Malta: EU-Parlament fordert Rücktritt von Premierminister Muscat

Maltas Regierungschef wird mit der Ermordung einer Journalistin in Verbindung gebracht. Brüssel stellte sich lange hinter ihn. Das ist jetzt vorbei.

Remo Hess, Brüssel
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Maltas Premier Joseph Muscat soll abtreten.

Maltas Premier Joseph Muscat soll abtreten.

MARTIN DIVISEK/EPA

Malta ist ein kleines Land mit einem kleinen Premierminister. Trotz seiner geringen Körpergrösse musste Joseph Muscat fürs Familienfoto beim EU-Gipfel vergangene Woche in der letzten Reihe stehen. Neben dem 1,93 grossen Niederländer Mark Rutte und dem bulligen Bulgaren Boyko Borissov ging der kurzgewachsene Muscat geradezu unter. Und das war wahrscheinlich auch das Ziel des
Protokollverantwortlichen: Den maltesischen Kollegen würde man in Brüssel im Moment am liebsten verschwinden lassen.

Der Grund: Zu Hause wird Joseph Muscat mit dem Bombenanschlag in Verbindung gebracht, bei dem die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia im Oktober 2017 getötet worden ist. Muscats Ex-Stabschef Keith Schembri soll persönlich in das Verbrechen involviert gewesen sein. Die Polizei hatte ihn Ende November festgenommen. «Mörder», skandierten zahlreiche Demonstranten vor der maltesischen Botschaft in Brüssel, während Muscat nebenan mit den EU-Regierungschefs zu Tische sass.

Wieso Jean-Claude Juncker sich vor Muscat stellte

EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte per Brief zwar seine Solidarität mit der Familie der getöteten Journalistin. Auf eine öffentliche Brandmarkung Muscats verzichteten die EU-Staatenlenker aber.
Für die liberale EU-Parlamentarierin Sophie in’t Veld eine Ungeheuerlichkeit. «Der Europäische Rat sollte sich schämen», sagte das Mitglied des Justizausschusses am Mittwoch im EU-Parlament in Strassburg.

Anfang Monat führte sie eine Delegation nach Malta, um sich über den Stand der Ermittlungen zu informieren. Als Fazit forderte sie den unverzüglichen Rücktritt des Premierministers. Dass Muscat noch bis zum 12. Januar im Amt bleiben wolle, sei kaum vorstellbar. In’t Veld und ihre Mitstreiter befürchten, dass Informationen verschwinden oder die Ermittlungen beeinflusst werden könnten. Gestern hat das EU-Parlament die EU-Kommission zur Einleitung eines Rechtstaatlichkeitsverfahrens gegen Malta aufgefordert.

«In Malta herrscht eine Kultur der Straflosigkeit.»

Aus Sicht des Grünen Europaparlamentariers Sven Giegold ist es dafür höchste Zeit. In Malta herrsche eine «Kultur der Straflosigkeit», aus der ein eigenes Geschäftsmodell hervorgegangen sei. Tatsächlich sorgt die Mittelmeerinsel seit Jahren für Negativschlagzeilen, etwa mit dem Verkauf von EU-Pässen an reiche Drittstaatenangehörige, dem Betrieb einer Geldwäsche-Industrie und der massenhaften Ansiedlung von Briefkastenfirmen. Zu einem Milliardenmarkt entwickelten sich auch die Onlinecasinos, die von Malta aus in ganz Europa betrieben werden und teils gegen nationale Vorschriften verstossen.

Angesichts dieser seit langem bekannten Zustände kann man sich fragen, weshalb die EU-Kommission nicht schon früher aktiv geworden ist. Stimmen aus dem EU-Parlament legen nahe, dass der ehemalige Kommissionschef Jean-Claude Juncker zusammen mit seinem Vize Frans Timmermans schützend seine Hand über Muscat gehalten hat.

Juncker hätte im Malteser einen Verbündeten gehabt, wenn es um die Verteilung von auf dem Mittelmeer geretteten Migranten ging. Timmermans seinerseits erhoffte sich Unterstützung vom sozialdemokratischen Parteikollegen im Wahlkampf für das Amt des Kommissionspräsidenten.