EU-Ratspräsidentschaft
Malta soll die Flüchtlingspolitik aus der Sackgasse holen

Malta hat zu Beginn des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Brüssel setzt grosse Hoffnungen in den Vorsitz des Inselstaates.

Remo Hess, Brüssel
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Malta ist vorbereitet – in den Strassen der Hauptstadt Valletta wehen die Fahnen der EU und Maltas.DOMENIC AQUILINA/EPA/Keystone

Malta ist vorbereitet – in den Strassen der Hauptstadt Valletta wehen die Fahnen der EU und Maltas.DOMENIC AQUILINA/EPA/Keystone

KEYSTONE

Zu Jahresbeginn hat der Inselstaat Malta die rotierende EU-Ratspräsidentschaft von der Slowakei übernommen. In den nächsten sechs Monaten wird das kleinste aller 28 EU-Länder die Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft koordinieren und so wichtige Impulse setzen.

Für das gerade einmal 430 000 Einwohner zählende Land stellt das eine logistische und politische Herausforderung dar. Premierminister Joseph Muscat hat die Prioritäten klar gesetzt: Zuoberst auf der Agenda steht die Migration. Ein Thema, das den Maltesern wie kaum einem anderen EU-Land vertraut ist.

Nicht weit von der tunesischen und libyschen Küste entfernt, liegt das Eiland seit je auf der Migrationsroute Richtung Norden. Bis 2011 sorgte ein Deal mit dem damaligen libyschen Machthaber Gaddafi dafür, dass Malta von grösseren Anstürmen verschont blieb. Doch als nach den Umwälzungen des Arabischen Frühlings und dem Sturz Gaddafis die Flüchtlingsströme zunahmen, kamen nicht nur auf der italienischen Insel Lampedusa, sondern auch in Malta innert weniger Wochen Tausende Flüchtlinge an. Zur gleichen Zeit reifte in Brüssel die Erkenntnis, dass Europa eine gemeinsame Antwort auf die Flüchtlingskrise finden müsse und die Verantwortung nicht allein den Ländern an den Aussengrenzen überlassen kann. Die neu gegründete europäische Asyl-Behörde EASO, die in Valletta ihren Hauptsitz hat, veranlasste ein erstes Mal 2011, dass rund 600 Migranten vom überforderten Malta auf die EU umverteilt wurden.

«Experte für Nordafrika»

Es sind diese einschlägigen Erfahrungen eines Vorpostens im Mittelmeer, die Malta in den Augen vieler dazu qualifizieren, die EU-Flüchtlingspolitik aus der Sackgasse zu holen. Und wenn EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vom «Vermittler zwischen den Kontinenten» und «Experte für Nordafrika» spricht, dann erhofft er sich vor allem, dass sich die Kooperationen mit den Herkunfts- und Transitländern der Migranten während der maltesischen Präsidentschaft konkretisieren.

Als Erstes will Premier Muscat jedoch die Verstärkung der Kontrollen der EU-Aussengrenzen zu Land und zu Wasser vorantreiben. Dass dies notwendig ist, bezweifelt bei der EU niemand. Schwieriger wird es mit der Flüchtlingsverteilung. Osteuropäische Länder wie Polen oder Ungarn weigern sich kategorisch, Flüchtlinge aus anderen EU-Ländern aufzunehmen, und wollen sich stattdessen nur mit Kompensationsmassnahmen beteiligen.

Die nun zu Ende gegangene slowakische Ratspräsidentschaft goss diesen Ansatz in ein vages Konzept der «flexiblen Solidarität». Malta wird sich davon wieder entfernen. Muscat betonte gestern: «Solidarität gibt es nicht à la carte. Wir haben sie eingefordert, als wir sie brauchten. Und wir bekennen uns dazu, wenn andere Länder darauf angewiesen sind.» Zumindest in einem Mindestmass dürften sich nach dem Willen Maltas auch osteuropäische Staaten an der Umverteilung von Flüchtlingen beteiligen müssen. Ziel ist es, die Reform des Dublin-Systems, die bei einem ausserordentlichen Flüchtlingsaufkommen eine automatische Verteilung vorsieht, bis zum Sommer abzuschliessen.

«Fairer Deal» für Grossbritannien

Zweites grosses Thema der Präsidentschaft Maltas ist der Brexit. Im März will Grossbritannien Artikel 50 des EU-Vertrags auslösen und den Austritt einleiten. Muscat sprach sich gestern dafür aus, dass die ehemalige Kolonialmacht Maltas einen «fairen Deal» erhalten sollte, der aber auf jeden Fall hinter den Vorzügen einer EU-Mitgliedschaft zurückliegen müsse. In dieser Hinsicht habe er noch nie so viel Einigkeit unter den EU-Staaten erlebt, so Muscat.