Italien
Mamma mia, welch ein Chaos – die 3 wichtigsten Fakten zur geplatzten Regierung

Drei Monate nach der Wahl in Italien sind die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechte Partei Lega mit ihrer geplanten Regierungsbildung überraschend gescheitert. Der gemeinsame Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, Giuseppe Conte, gab am Sonntag nach nur vier Tagen den Regierungsauftrag an Staatspräsident Sergio Mattarella zurück. Was ist passiert?

Drucken
Giuseppe Conte gibt auf.

Giuseppe Conte gibt auf.

KEYSTONE/AP ANSA/FABIO FRUSTACI

1. Staatspräsident zieht die Notbremse

In Italien muss der Präsident das Kabinett erst formell absegnen, bevor es sich im Parlament zur Wahl stellt und die Regierungsgeschäfte aufnehmen darf.

Und Staatspräsident Mattarella sah sich gezwungen, ein Machtwort zu sprechen. Er lehnte den Vorschlag der koalitionswilligen Lega und 5-Sterne-Bewegung ab, den ausgewiesenen Euro- und Deutschland-Kritiker Paolo Savona zum neuen Finanzminister zu ernennen.

Italiens Präsident Sergio Mattarella versucht am heutigen Montag einen Weg aus der Regierungskrise zu finden und bestellte den Wirtschaftsexperten Carlo Cottarelli zu Gesprächen ein.

Italiens Präsident Sergio Mattarella versucht am heutigen Montag einen Weg aus der Regierungskrise zu finden und bestellte den Wirtschaftsexperten Carlo Cottarelli zu Gesprächen ein.

KEYSTONE/AP ANSA/FABIO FRUSTACI

Leichten Herzens habe er das nicht getan, sagte er am Sonntag in Rom. Aber er fühle sich verpflichtet, die Verfassungsordnung zu garantieren und könne keinen Kandidaten akzeptieren, der einen Austritt aus dem Euro für Italien als Option erwägt.

Der Wirtschaftsminister spiele eine Schlüsselrolle in einer Regierung, so Mattarella. Zudem kritisierte der Staatspräsident die Unnachgiebigkeit der Parteien, eine Alternative zu Savona vorzuschlagen.

2. Streit um designierten Finanzminister

Paolo Savona, 81 Jahre alt, Ökonom. Er kämpft seit Jahren dafür, dass Europa die Schlinge vom Hals von Italien nimmt. Sein Credo: Raus aus dem Euro oder, wenn das nicht geht, raus aus der EU.

Extreme Ansichten: Paolo Savona

Extreme Ansichten: Paolo Savona

REUTERS

Lega und Sterne hatten bis zuletzt auf Savona als ihren Kandidaten beharrt. Die Personalie brachte die ohnehin erhitzten Gemüter in Europa vollends in Wallung. Vor allem zwischen Deutschland und Italien wurden die Spannungen zuletzt immer grösser.

Zuvor hatten die geplanten Mehrausgaben der populistischen Parteien und ihre Anti-EU-Rhetorik die Finanzmärkte in Unruhe versetzt und Schockwellen durch Europa gesendet. Geplant waren unter anderem Steuersenkungen und ein Mindesteinkommen. Italien ist mit knapp 132 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet, nach Griechenland ist das der zweithöchste Wert in Europa. Erlaubt sind 60 Prozent.

Jede Warnung deutscher Politiker in Richtung Rom wurde als Einmischung gewertet. Und auf Kommentare deutscher Medien, in denen die Italiener als undankbare «Schnorrer» bezeichnet werden, reagierte am Wochenende nicht nur Salvini empfindlich.

«Deutsche Zeitungen und Politiker beschimpfen uns als italienische Bettler, Nichtstuer, Steuervermeider, Schnorrer und Undankbare», twitterte Salvini am Samstag. Und Italien solle einen Minister auswählen, der Deutschland passe? «Nein, danke!» Selbst Präsident Mattarella kritisierte die Medienberichte in einem «bestimmten europäischen Land».

3. Expertenregierung und Neuwahlen

Nach der gescheiterten Regierungsbildung forderte der Luigi di Maio, Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, die Absetzung von Mattarella. Unter Berufung auf Artikel 90 der italienischen Verfassung werde er Mattarellas Absetzung verlangen, sagte er am Sonntagabend in einem Fernsehinterview. Anschliessend solle es Neuwahlen geben.

Der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, fordert Neuwahlen.

Der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, fordert Neuwahlen.

KEYSTONE/EPA ANSA/FILIPPO PRUCCOLI

Auch Lega-Chef Salvini sieht Neuwahlen als unumgänglich an. «Das Wort geht wieder an Euch», schrieb er auf Twitter. Die Italiener dürften nicht länger «Sklaven» sein, Italien sei keine Kolonie.

Staatspräsident Mattarella lud derweil den Wirtschaftsexperten Carlo Cottarelli zu Gesprächen in den Präsidentenpalast ein. Cottarelli sei für Montagmorgen zum Gespräch gebeten worden, teilte ein Sprecher am Sonntagabend mit. Der 64-Jährige war früher hoher Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds und 2013 Sparkommissar der italienischen Regierung unter Enrico Letta.

Diese Einladung lässt darauf schliessen, dass Mattarella an einer Übergangsregierung arbeitet. Cottarelli könnte mit einer «Expertenregierung» die Zeit bis zu einer Neuwahl überbrücken. Allerdings hatten sowohl Lega als auch die Sterne schon angekündigt, einer Technokratenregierung im Parlament nicht zuzustimmen.

Ob es Neuwahlen geben soll, will Mattarella in den kommenden Tagen entscheiden. (sar)