Trotz gescheiterter Volksbefragung will Mazedoniens Ministerpräsident Zaev weitermachen

Die Volksabstimmung in Mazedonien über die Westintegration des Landes endet im Chaos. Während die Wahlkommission die Abstimmung für gescheitert sieht, spricht der Regierungschef von einem grossen Sieg.

Frank Stier
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Gegner der Volksabstimmung feiern in Skopje. (Bild: Thanassis Stavrakis/AP (Skopje, 30. September 2018))

Gegner der Volksabstimmung feiern in Skopje. (Bild: Thanassis Stavrakis/AP (Skopje, 30. September 2018))

Das mazedonische Volk hat sich dem Aufruf seines sozidaldemokratischen Ministerpräsidenten Zoran Zaev zur Volksabstimmung am Sonntag mehrheitlich versagt. Voraussichtlich weniger als 40% der 1,8 Millionen stimmberechtigten Mazedonier erschienen zur Stimmabgabe in den Wahllokalen, die erforderliche Beteiligung von mehr als 50% wurde verfehlt. Als Regierungschef Zaev am Abend nach Schließung der Wahllokale aber zu seinen Anhängern sprach, erklärte er das Referendum dennoch für einen „Sieg der Demokratie”, habe doch die überwältigend große Mehrheit der Abstimmenden die Frage „Sind Sie für den Beitritt zu NATO und Europäischer Union (EU) durch Anerkennung der zwischen Mazedonien und Griechenland getroffenen Vereinbarung” bejaht. Das mazedonische Parlament sollen nun ihrem Willen zügig Folge leisten.

Seit Anfang der 1990er Jahre bestreitet Griechenland Mazedonien wegen der nordgriechischen Region Makedonia das Recht auf seinen Landesnamen und blockiert dessen Beitrittsbemühungen zu NATO und EU. Mit der Mitte Juni 2018 in Prespa abgeschlossenen Vereinbarung hat Griechenland das Ende seiner Veto-Politik gegen die euroatlantischen Aspirationen Mazedoniens in Aussicht gestellt, wenn Mazedonien sich zur Umbenennung in Nord-Mazedonien bereit erklärt. Ohne ausdrücklich formuliert zu sein, lautete so am Sonntag tatsächlich zur Abstimmung stehende Frage, ob die Bürger die Umbenennung der Republik Mazedonien in Republik Nord-Mazedonien akzeptieren, um die euroatlantische Integration ihres Landes zu ermöglichlichen.

Erzwungene Entscheidung

Die Repräsentanten aller Westmächte, von EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und NATO-Generelsekretär Jens Stoltenberg sind in den vergangenen Wochen in die mazedonische Hauptstadt Skopje gereist, um für den Erfolg des Referendums zu werben, sei die mazedonisch-griechische Einigung doch eine grundlegende Voraussetzung der Mitgliedschaft Mazedoniens in NATO und EU. Inwieweit diese Reisediplomatie nützlich oder kontraproduktiv war, wird nun diskutiert werden. Bei manchen Mazedoniern könnte sie Zweifel geweckt haben, ob nicht etwa geopolitische Erwägungen anstatt Fürsorge um die Interessen Mazedoniens hinter ihr stehen.

Die um die langjährige Regierungspartei „Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit” gescharte nationalistische Opposition hält den Vertrag von Prespa für Landesverrat und feiert das Scheitern des Referendums als Erfolg. Sie fordert das Kabinett Zaev nun zum Rücktritt auf. Bereits nach Bekanntwerden der ersten Zahlen am frühen Vormittag zeigte sich Vladimir Kavardakov, ein Aktivist des Boykott-Camps gegenüber des Parlaments, vom Scheitern des Referendums überzeugt. „Das Volk macht den Verrat von Zaev nicht mit”, prognostizierte er. Das Umbenennen eines Landes sei der „höchste Landesverrat, den man begehen” könne. Den Rücktritt Zaevs erwartete Kavardakov, eher werde er versuchen, den Vertrag von Prespa dennoch vom Parlament ratifizieren zu lassen, doch sei zweifelhaft, ob er die dafür nötige Zwei-Drittelmehrheit bekommen werde. „Wir sind nicht gegen den Beitritt unseres Landes zur EU, doch wollen wir ihn nicht unter allen Bedingungen. Wir möchten erhobenen Hauptes in die EU, nicht als Büttel. Wenn die EU uns mit unserem Namen nicht haben will, gehen wir halt in die Eurasische Wirtschaftgemeinschaft (EWAG). Die nimmt uns mit unserem Namen”, sagte Vladimir Kavardakov.

In den eineinhalb Jahren seiner Amtszeit hat Zoran Zaev weitgehende Zugeständnisse an die albanische Minderheit im Land gemacht, einen Nachbarschaftsvertrag mit Bulgarien abgeschlossen und die Einigung mit Griechenland im jahrzehntelangen Namensstreit. Dies hat ihm erbitterten Widerstand der nationalistischen Opposition eingebracht. Beim Referendum haben ihn nun aber offensichtlich viele seiner Sympathisanten im Stich gelassen. Ob Zaev nach dem Scheitern des Referendums weitermachen kann wie bisher, ist zweifelhaft, die politische Zukunft des Balkanlands scheint jetzt wieder völlig offen.