Frankreichs Präsident Emmanuel Macron überrascht international mit einem starken Einstand. Gegen Brexit, Trump und Erdogan setzt er vor allem auf Angela Merkel.
Nach dem Besuch von Wladimir Putin in Versailles waren selbst die russischen Medien verblüfft. «Moskovski Komsomolets» musste zugeben: «Der russische Präsident erwartete nicht einen solchen Druck.» Emmanuel Macron, der junge Franzose mit dem charmanten Lächeln, hatte sich von dem alten Hasen Wladimir Putin nicht unterkriegen lassen. Offen attackierte er die vom Kreml gelenkten Medien. Diese hätten im französischen Wahlkampf «Fake News» gestreut. «Macron meistert perfekt das Prinzip der drei Musketiere – anzugreifen, um sich nicht verteidigen zu müssen», kommentierte das Moskauer Blatt.
Ganz ähnlich tönt es in Paris. Die Zeitung «Le Monde» spricht von einem «sans-faute», einem fehlerlosen Auftritt des Novizen Macron bei den Nato- und G7-Gipfeln; «Libération» lobt das «Savoir-Faire» (Know-how) des 39-jährigen Staatschefs. Vor Putin hatte er sich schon gegenüber US-Präsident Donald Trump behauptet, indem er dessen Schraubstock-
Handshake nicht nur aushielt, sondern mit grimmigem Lächeln verlängerte.
Später meinte er zu einem Pariser Sonntagsblatt, Trump, Putin oder auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan suchten permanent die Kraftprobe. «Das stört mich nicht», fügte er an. «Aber ich lasse nichts durchgehen.»
Die Franzosen staunen selbst, wie ihr freundlicher Jungpräsident den starken Männern der Weltbühne Paroli bietet – und das erst noch mit eleganten Manieren. Nach fünf zum Teil blamablen Jahren unter François Hollande ist die Nation endlich wieder stolz auf ihren republikanischen Monarchen, als der sich Macron bewusst inszeniert. In Versailles liess er sich minutenlang filmen, als er neben Putin die 120 Meter lange «Galerie der Schlachten» abschritt, um dann inmitten martialischer Wandgemälde seine Pressekonferenz zu geben. Und einen neuen Kurs zu skizzieren: Anders als Hollande will Macron mit dem Assad-Regime verhandeln und mit den Russen eine Arbeitsgruppe in Sachen Syrien bilden. Doch falls das Regime in Damaskus erneut Giftgas einsetzen sollte, droht Macron mit einer «sofortigen Reaktion» der französischen Luftwaffe.
Ob der französische Staatschef wirklich gewillt wäre, seinen Worten Taten folgen zu lassen, muss sich weisen. 2013 hatte Hollande einen Militärschlag gegen die Assad-Truppen im letzten Moment abgeblasen, weil die Amerikaner plötzlich davon absahen.
Macron weiss, dass sein Land mit den Grossmächten nicht mithalten kann. Auch deshalb setzt der Proeuropäer voll auf die Karte EU – unter deutsch-französischer Führung. An den Nato- und G7-Treffen sprach er sich regelmässig mit Kanzlerin Angela Merkel ab. Zusammen machten sie Druck auf Trump, die internationalen Regeln einzuhalten; zusammen verhinderten sie offenbar auch Erdogans Ansinnen, den nächsten Nato-Gipfel in die Türkei zu holen.
Rasch zeigt sich: Das Powerpaar «Merkron» funktioniert besser als unter den drei französischen Ex-Präsidenten Chirac, Sarkozy und Hollande – mit denen Merkel schwierig gestartet war. Dazu tragen heute die Umstände bei: Der britische EU-Austritt, die US-Administration und der Vormarsch der französischen Populistin Marine Le Pen schweissen Frankreich und Deutschland enger denn je zusammen. Von einer blossen Interessen- werden sie zum Kern einer «europäischen Schicksalsgemeinschaft», wie sie Macron nennt.
Auffällig ist auch, dass die Achse Paris-Berlin für einmal kaum hörbar kritisiert wird – weder in den kleinen EU-Staaten noch an der Seine, wo sonst von links und rechts aussen harte Attacken gegen den «deutschen Austeritätskurs» geritten werden. Macron darf den Eindruck haben – zumindest wird er ihm gegeben –, dass er auf Augenhöhe mit Merkel verkehre. «M&M», wie Diplomaten sagen, sind sich in der zentralen Flüchtlingsfrage oder der Terrorbekämpfung weitgehend einig. Und beide betonen, dass zuallererst Frankreich seine Wirtschaft reformieren müsse.
Meistert der neue französische Präsident die zu erwartende Protest- und Streikfront im eigenen Land, wird er auch europaweit mehr zu sagen haben. «Dann», so freut sich der deutschlandkritische Historiker Edouard Husson in Paris, «hätte Berlin in der EU nicht mehr allein das Sagen».