Die ganze Welt feiert ihn als Helden, der den Kalten Krieg beendete. Doch in seiner Heimat gilt Michail Gorbatschow, der heute seinen 80.Geburtstag feiert, als unglücklicher Totengräber der Sowjetunion.
Zu Hause ist Gorbatschow heute unpopulär, die meisten Russen machen ihn für den Wirtschaftskollaps und das politische Chaos nach 1991 verantwortlich.
Russische Historiker beurteilen den letzten Sowjetführer inzwischen immerhin etwas differenzierter: Gorbatschow erscheint auch als Kreml-Chef, der half, das atomare Wettrüsten mit den USA zu überwinden, und als Politiker, der sein Land von den Fesseln eines totalitären Systems befreite.
Liebling des Westens
Michail Sergejewitsch Gorbatschow wurde am 2. März 1931 im Dorf Priwolnoje im nördlichen Kaukasus geboren. Seine Eltern waren einfache Bauern, doch gute Schulnoten erlaubten ihm ab 1950 ein Jurastudium an der Moskauer Staatsuniversität. Während der Uni-Jahre lernte er seine spätere Frau Raissa kennen.
Von seiner Heimatregion Stawropol aus lancierte Gorbatschow seine Politkarriere. 1971 wurde er Mitglied des Zentralkomitees, 1980 Vollmitglied des Politbüros. Nach dem Tod Breschnews stieg Gorbatschows Freund und Mentor Juri Andropow 1982 zum Sowjetführer auf. Andropow instruierte Gorbatschow, Pläne für Wirtschaftsreformen auszuarbeiten.
Der greise Kreml-Chef starb aber, bevor die Reformen umgesetzt werden konnten. Als sein Nachfolger Tschernenko nach kurzem Intermezzo ebenfalls verstarb, wählte das Politbüro im März 1985 Gorbatschow zum Sowjetführer.
Forsch konsolidierte der 54-Jährige seine Macht, schickte seine grössten Rivalen in die Pension und beförderte seine Freunde auf hohe Posten. Gorbatschow revolutionierte in der Folge die sowjetische Diplomatie. Schon Ende 1984 hatte er die britische Premierin Margaret Thatcher beeindruckt als «Mann, mit dem wir Geschäfte machen können». Der neue Kreml-Chef baute gute persönliche Beziehungen zu westlichen Staats- und Regierungschefs auf.
In Genf traf «Gorbi», wie er im Westen liebevoll genannt wurde, erstmals Ronald Reagan. Ihre gemeinsame Presseerklärung, wonach «ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf», bedeutete einen Wendepunkt im Kalten Krieg.
Im Januar 1986 versprach Gorbatschow, alle Nuklearwaffen bis zum Jahr 2000 zu eliminieren. Der Westen blieb skeptisch, aber Reagan war beeindruckt. Ab 1987 reduzierte Gorbatschow die sowjetischen Verteidigungsausgaben und schloss mit den USA bahnbrechende Abrüstungsabkommen ab.
Held des «Wunderjahrs» 1989
Am 7. Dezember 1988 hielt Gorbatschow seine wichtigste aussenpolitische Rede vor der UNO in New York. Er kündigte an, die sowjetischen Streitkräfte um eine halbe Million Mann zu reduzieren, und distanzierte sich von dem marxistischen Konzept eines «internationalen Klassenkampfes». 1989 schaute Gorbatschow tatenlos zu, wie kommunistische Regime in Osteuropa von demokratisch gewählten Regierungen abgelöst wurden und wie die Berliner Mauer fiel.
Im Dezember 1989 versprach er dem US-Präsidenten George H.W. Bush, nicht militärisch in Osteuropa zu intervenieren. 1990 gab Gorbatschow seine Einwilligung zur deutschen Wiedervereinigung – als Held von 1989 gewann er 1991 den Friedensnobelpreis.
Ebenso radikal reformierte Gorbatschow auch die Innenpolitik. Damit zog er den Zorn von Hardlinern auf sich, in der Partei, aber auch im KGB und in Militärkreisen. Insbesondere durch die deutsche Einheit fühlten sich die alten Generäle ihrer Früchte des Erfolgs des Zweiten Weltkriegs beraubt.
Im August 1991 putschte eine Junta gegen Gorbatschow, davon erholte sich der geschwächte Kreml-Chef nicht mehr, im Dezember trat er zurück. Als er 1996 nochmals bei den russischen Präsidentschaftswahlen antrat, erhielt er weniger als 1 Prozent der Stimmen.