EU
Migration outsourcen – aber wie?

Die Idee von Asyl-Zentren gewinnt an Zuspruch. Doch noch ist unklar, wie das gehen soll.

Remo Hess, Brüssel
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Flüchtlinge am Römer Flughafen: Europa sucht nach einer gemeinsamen Asylpolitik.

Flüchtlinge am Römer Flughafen: Europa sucht nach einer gemeinsamen Asylpolitik.

EPA/KEY

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat ein Händchen dafür, den richtigen Ton zu treffen. So auch dieses Mal: «Immer mehr Menschen glauben, dass illegale Migration nur von harten, anti-europäischen und anti-liberalen Kräften zu stoppen ist. Wenn Menschen das glauben, werden sie auch alles andere glauben, was sie sagen. Es steht viel auf dem Spiel. Die Zeit ist knapp.» Es ist eine klare Botschaft, die Tusk in seinem Einladungsschreiben für das morgige Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel aussendet: Die EU muss die illegale Migration in den Griff bekommen, ansonsten drohen Rechtspopulisten à la Front National, AfD und Lega in Europa die Macht zu übernehmen.

Aber wie soll das geschehen? In den Vordergrund rückt dieser Tage immer mehr die Idee, in internationalen Gewässern gerettete Bootsflüchtlinge nicht mehr wie bisher nach Europa, sondern zurück nach Nordafrika zu bringen. Im Entwurf der Gipfel-Erklärung ist von «regionalen Ausschiffungsplattformen» die Rede.

Der Problem-Gipfel

Beim zweitägigen EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel steht von heute an die Migration zuoberst auf der Agenda. Weil die EU-Staaten zerstritten sind, wie es bei Fragen wie Flüchtlingsverteilung und der Umsetzung der Dublin-Regeln weitergehen soll, konzentriert man sich vor allem auf den Schutz der Aussengrenzen. Wenig Fortschritte dürfte es bei den beiden weiteren grossen Themen geben: Reform der Eurozone und dem Brexit. Die Frage der nordirischen Grenze blockiert die gesamten Brexit-Verhandlungen, und der deutsch-französische Vorschlag eines gemeinsamen Euro-Budgets wird von den sogenannten «Hanse»-Staaten Nordeuropas unter Führung der Niederlande blockiert. (rhe)

Libyen fällt schon mal weg

Das bringt jedoch einen Haufen praktischer und juristischer Probleme mit sich. Allen voran die Einhaltung des Non-Refoulement-Prinzips der Genfer Flüchtlingskonvention, welches verbietet, einen Menschen an einen Ort zurückzuschicken, wo ihm Folter oder sonstige Gefahr an Leib und Leben droht. Das vom Bürgerkrieg zerrüttete Libyen, von wo die meisten Migranten ihre Reise übers Mittelmeer antreten, würde somit schon mal wegfallen. Auch sonst gibt es bisher kein Land in Nordafrika, das bereit wäre, solche EU-Einrichtungen auf seinem Territorium zu akzeptieren.

Die andere Frage wäre, wer die Zentren betreiben würde und wie mit Asylanträgen umgegangen werden würde. Für die EU müssten zwingend das internationale Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Internationale Organisation für Migration den Lead haben. Sie würden nach internationalen Standards eine Triage vornehmen, wer akut schutzbedürftig ist, wer zur Behandlung seines Asylantrags nach Europa gebracht und wer wegen fehlenden Asylanspruchs bei der Rückreise in sein Heimatland unterstützt werden soll. Das UNHCR hat in den letzten Tagen Bereitschaft zur Mitarbeit signalisiert. Als Referenzpunkt wird der EU-Türkei-Deal vom März 2016 bemüht. Dieser sieht vor, dass auf den griechischen Inseln ankommende Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt werden und die EU dafür Personen in derselben Anzahl direkt aus der Türkei aufnimmt.

Der Clou: Alleine die Installation dieses Mechanismus hat dazu geführt, dass das Geschäftsmodell der Schlepper zerstört wurde. So zumindest sieht es ein hoher Beamter aus dem Umfeld von Ratspräsident Tusk. Die Hoffnung ist nun, dass das auf der zentralen Mittelmeerroute ähnlich sein wird. «Es werden nur ein paar wenige Schiffe zurückgeschickt werden müssen, und schon ist das Geschäftsmodell der Schlepper kaputt», so der EU-Beamte. Dass das wirklich so sein wird, dafür gibt es natürlich keine Garantie.

Klarer ist die Situation von Migranten, die in europäischen Hoheitsgewässern gerettet werden. Sie müssen nach geltendem Recht zwingend nach Europa gebracht werden. Um zu verhindern, dass sie abtauchen und sich in ein anderes EU-Land absetzen, kursiert nun der Vorschlag, vermehrt geschlossene Asyl-Zentren einzurichten. Solche «Hotspots» existieren bereits in Griechenland und Italien. Jedoch ist die Bereitschaft der beiden Länder und anderer Mittelmeer-Anrainer wie Spanien gering, zusätzliche Zentren bei sich zu schaffen.