Mitt Romney will Amerika wieder zu alter Grösse führen – Filmlegende Clint Eastwood überschattete seinen Auftritt. Als Romney erzählte, dass Vater George seiner Mutter Lenore jeden Tag eine Rose auf den Nachttisch gelegt habe, blieb kein Auge trocken
Was hat sich Clint Eastwood bloss gedacht? Der Auftritt des alternden Hollywood-Stars am Abschlussabend des republikanischen Parteitags war das Thema Nummer eins in Tampa. Der 82-jährige Eastwood hatte sich erst in letzter Minute entschieden, in Florida für seinen Parteifreund Mitt Romney eine Unterstützungsrede zu halten.
Doch dann warf er diese Ansprache in den Papierkorb, um stattdessen ein kabarettistisch angehauchtes Zwiegespräch mit einem leeren Stuhl zu führen. Angeblich symbolisierte der Hocker dabei Präsident Barack Obama.
Bloss: Eastwood war schwer zu verstehen, als er diese Ausgangslage den Anwesenden im Eishockeystadion von Tampa und den Millionen von Fernsehzuschauern erklärte. Stattdessen schwafelte er einfach drauflos und nahm den Wahlkampfstab Romneys mit auf eine Achterbahnfahrt.
Denn Eastwood ist in Hollywood nicht zu Ruhm gekommen, weil er komödiantisches Talent besitzt – sondern weil er den eigenbrötlerischen Helden verkörpert wie kein anderer.
Bisweilen war der fiktive Dialog mit Obama schlicht peinlich. Etwa dann, als der Präsident angeblich wie ein Bierkutscher fluchend über Romney herzog. Eastwood sagte: «Was soll ich Romney sagen? Ich kann ihm nicht sagen, dass er das mit sich selber machen soll.»
Dann aber hatte der Oscar-Preisträger lichte Momente und riss die Zuschauer von den Sitzen. So sagte Eastwood an die Adresse Obamas: «Wenn jemand seinen Job nicht richtig macht, dann muss man ihn feuern.»
Bereits in der Nacht rechtfertigte sich das Romney-Lager für die Eastwood-Rede, nach harschen Kommentaren von Politbeobachtern und einem Seitenhieb der Obama-Kampagne, die ein Foto des präsidialen Sessels im Weissen Haus ins Internet lud und dazu schrieb: «Der Stuhl ist besetzt.»
Die Medien gaben sich damit aber nicht zufrieden. Deshalb musste auch Ann Romney im Frühstücksfernsehen Stellung zum komödiantischen Improvisationstalent der Hollywood-Legende nehmen. «Ich wusste nicht, was er geplant hatte», sagte sie, und wirkte dabei leicht irritiert. Eastwood sei ein «ganz besonderer Kerl und er hatte einen einmaligen Auftritt».
Romneys Auftritt verblasst
Aufgrund dieses höchst ungewöhnlichen Auftritts der Hollywood-Legende rückte der eigentliche Star des Abschlussabends in den Hintergrund: Mitt Romney.
In einer programmatischen Rede, die der aus dem Ei gepellte Romney vor jubelnden Parteifreunden hielt, präsentierte sich der 65-Jährige als besorgter Geschäftsmann und Patriot. Er habe gehofft, sagte der Republikaner, «dass der Präsident Erfolg hat, weil ich will, dass Amerika Erfolg hat».
Doch Obama habe versagt und seine grossspurigen Ankündigungen nicht in die Praxis umgesetzt. So habe der Demokrat vor vier Jahren versprochen, dass er den Anstieg des Meeresspiegels bremsen und den Planeten heilen werde. Er hingegen verspreche, sagte Romney an die Millionen von Fernsehzuschauern, «dass ich Ihnen und Ihrer Familie helfen werde.»
Wie der Republikaner allerdings die stotternde amerikanische Volkswirtschaft auf Vordermann bringen will, ging aus der Rede nicht wirklich hervor. Romney zählte zwar fünf Punkte auf, die er und sein Vize Paul Ryan im kommenden Jahr anpacken würden – er blieb aber die Details schuldig.
So sagte Romney bloss, dass die Republikaner im Weissen Haus «das Defizit verringern und Amerika auf den Weg zu einem ausgeglichenen Budget bringen wird», ohne zu erklären, wo er den Sparstift ansetzen will.
Romney als mitfühlender Politiker
Vielleicht aber war das für den unentschlossenen Wähler auch gar nicht nötig. Für eine ausführliche Debatte über die Wahlprogramme Romneys und Obamas bleibt bis zum Wahltag am 6. November noch Zeit, insbesondere während der drei Fernsehdebatten zwischen Amtsinhaber und Herausforderer.
Ziel der Romney-Rede war es deshalb in erster Linie, den Republikaner als mitfühlenden und fähigen Politiker zu präsentieren, der zwar manchmal wie ein Roboter wirkt, aber dank seiner Erziehung ein Herz aus Gold hat.
Deshalb sprach er ausführlich über die Ehe seiner Eltern: Als er erzählte, dass sein Vater George seiner Mutter Lenore jeden Tag eine Rose auf das Nachttischchen gelegt habe, blieb im Hockeystadion kein Auge trocken.
Gestern liess Mitt Romney solchen Worten Taten folgen: Er reiste nach New Orleans, um im Süden Amerikas die Schäden zu begutachten, die der Sturm «Isaac» verursacht hatte. Dank solchen Auftritten, hofft der Möchtegern-Präsident, wird auch Clint Eastwood rasch in Vergessenheit geraten.