Amanda Knox ist schon seit Jahren frei. Jetzt darf auch der Mörder Rudy Guede nach Hause. Wer Meredith Kercher getötet hat, bleibt ein Rätsel.
Der Fall hatte 2007 für weltweites Aufsehen gesorgt: In der Nacht von Halloween wurde die 21-jährige britische Austauschstudentin Meredith Kercher in ihrer Wohnung in der italienischen Stadt Perugia ermordet. Als Tatverdächtige hatten die Ermittler bald ihre Mitbewohnerin Amanda Knox und deren Freund Raffaele Sollecito sowie Rudy Guede auf dem Schirm. Der Sohn ivorischer Einwanderer war der einzige, der rechtskräftig des Mordes verurteilt worden ist. Anfang Woche nun kam der heute 34-jährige, der bis heute seine Unschuld beteuert, wegen guter Führung vorzeitig frei. Was in der Mordnacht vor 14 Jahren genau geschah, bleibt derweil ein Rätsel.
Guede hat seine Zeit im Gefängnis dazu genutzt, Geschichte und Internationale Beziehungen zu studieren. Daneben hat er seit Dezember 2020 im offenen Vollzug nördlich von Rom Sozialdienst für die Caritas geleistet und den lokalen Pfarrer bei der Essensausgabe an Arme unterstützt.
Die vorzeitige Entlassung des mutmasslichen Mörders ist der letzte Akt eines Justizdramas von seltenem Ausmass. Meredith Kercher wurde am 2. November 2007 halbnackt und mit zerstochener Kehle in ihrer Studentenwohnung aufgefunden. Vor ihrem Tod war sie vergewaltigt worden. Der Tatverdacht fiel auf Merediths amerikanische Mitbewohnerin Amanda Knox, deren damaligen Freund Raffaele Sollecito sowie den Hilfsarbeiter Rudy Guede. Die Ermittler vermuteten, dass es zu Gruppensex gekommen sei, der im Drogenrausch ausser Kontrolle geraten ist.
Guede war nach dem Mord nach Deutschland geflüchtet, wo er einige Wochen später verhaftet und später zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Wegen eines Teilgeständnisses hatte er einen kräftigen Strafrabatt erhalten: Angesichts des Umstandes, dass seine DNA auf dem Körper von Meredith gefunden wurde, hatte er das Sexualverbrechen, nicht aber den Mord, gestanden. Stattdessen beschuldigte Guede Amanda Knox und Raffaele Sollecito, Meredith erstochen zu haben. Bei dieser Version blieb er bis heute.
Aufgrund von zahlreichen Ungereimtheiten in ihren Aussagen glaubten ihnen die Ermittler nicht – und so begann für den «Engel mit Eisaugen», wie Knox von den Medien genannt wurde, und für ihren Freund eine Gerichtsodyssee. In einem ersten Urteil wurden die beiden 2009 zu 26 und 25 Jahren Zuchthaus verurteilt. Zwei Jahre später erfolgte ein erster Freispruch durch ein Appellationsgericht. Wegen Formfehlern wurde der Freispruch durch den Kassationshof aber wieder annulliert.
In einem neuen Prozess wurden Knox und Sollecito erneut verurteilt, diesmal zu 28 und 25 Jahren. Im März 2015 hatte der Albtraum ein Ende: Die beiden Angeschuldigten wurden vom höchsten italienischen Gericht definitiv freigesprochen – nachdem sie insgesamt vier Jahre im Gefängnis gesessen hatten.
Die Eltern von Meredith Kercher wissen bis heute nicht, was sich in der Halloween-Nacht von 2007 wirklich passiert ist. Es gibt kein Geständnis, kein Alibi, kein Motiv – und laut dem Römer Kassationshof war es während des Verfahrens zu «eklatanten Schlampereien und Fehlern» gekommen.
Amanda Knox erklärte am Dienstag in einem Interview mit der «Times», dass sie trotz des Freispruchs immer noch um ihren Ruf kämpfen müsse. «Der Mordprozess war zu einer Unterhaltungsshow geworden, die weitergehen musste, auch ohne Beweise.» Sie sei immer noch wütend und warte weiterhin auf eine Entschuldigung. «Aber mein Lebensglück hängt inzwischen nicht mehr davon ab», sagte Knox. Sie ist inzwischen selber Mutter geworden.