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Versäumnis im Fall Anis Amri: Offenbar hat das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) das Innenministerium des deutschen Bundeslandes bereits im März 2016 in drastischen Worten vor der Gefährlichkeit des späteren Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters gewarnt.
In einer E-Mail an die Sicherheitskonferenz im Innenministerium Nordrhein-Westfalens (NRW) prognostizierte das LKA, von Amri gehe eine "Gefahr im Sinne eines terroristischen Anschlags aus". Diese Warnung führte am Mittwoch im Amri-Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags zu bohrenden Nachfragen der Opposition an einen Abteilungsleiter des NRW-Innenministeriums.
Es sei völlig unverständlich, warum der LKA-Vermerk nicht ernst genommen worden sei, kritisierte der FDP-Abgeordnete Joachim Stamp. Im Vermerk heisst es: "Demnach ist die Begehung eines terroristischen Anschlags durch Amri zu erwarten."
Auch die Oppositionsfraktionen von CDU, FDP und Piraten äusserten Unverständnis über den Umgang mit der LKA-Warnung. Eine Tischvorlage für die Sicherheitskonferenz könne nicht wie ein "Schmierzettel" behandelt werden, kritisierte die Piraten-Abgeordnete Simone Brand. In der Sicherheitskonferenz sitzen Vertreter von LKA, Verfassungsschutz und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.
Deutliche Worte fand NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier, der Fehleinschätzungen der Sicherheitsbehörden im Fall Amri einräumte. "Es war eine falsche Bewertung der Person Anis Amri", sagte Freier vor dem Untersuchungsausschuss.
Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt in Bildern:
Freier verwies angesichts offenkundiger Behördenversäumnisse im Fall Amri auf die zuletzt deutlich gestiegene Zahl von islamistischen Gefährdern in Deutschland, die neue Formen der Zusammenarbeit unter anderem im Bereich des Verfassungsschutzes der Länder und des Bundes erforderlich mache.
Zugleich stellte der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes erneut klar, dass Amri kein V-Mann des Inlandgeheimdienstes gewesen sei. "Er war keine V-Person des Verfassungsschutzes."
Zuvor war der Abteilungsleiter für Ausländerangelegenheiten im NRW-Innenministerium, Burkhard Schnieder, vor dem Düsseldorfer Untersuchungsausschuss dem Eindruck entgegengetreten, das Innenministerium habe die Warnung des LKA in den Wind geschlagen.
Bei der Warnung habe es sich nur um eine informelle "Tischvorlage" an die Sicherheitskonferenz gehandelt, nicht um eine offizielle Eingabe an das Ministerium. Das LKA habe damit einen "dankenswerten Anstoss" geben wollen und Argumente zur Vorprüfung zusammengetragen, die eine Abschiebung Amris möglicherweise gerichtsfest gemacht hätten.
Letztlich seien die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern zu der Überzeugung gelangt, dass von Amri keine konkrete Anschlagsgefahr ausgehe. Vor Gericht hätten Tatsachen und Belege präsentiert werden müssen, keine unbestätigten Hinweise, betonte Schnieder. "Da reicht Herumschwafeln nicht aus."
Der abgelehnte Asylbewerber Anis Amri hatte am 19. Dezember den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche verübt, bei dem zwölf Menschen starben und dutzende weitere verletzt wurden. Der Tunesier wurde Tage nach dem Lastwagen-Anschlag bei einer Polizeikontrolle in Italien erschossen.