Pandemie
Nerze sorgen für Coronapanik in Dänemark – wird Kopenhagen zum neuen Wuhan?

Wegen einer speziellen Virus-Mutation werden sämtliche 17 Millionen Zuchtnerze im Land getötet. Doch es könnte zu spät sein: Eine als gefährlich betrachtete Variation breitet sich aus – und könnte im schlimmsten Fall eine weitere Pandemie auslösen.

Niels Anner aus Kopenhagen
Drucken
In Zuchtnerzen ist das Coronavirus mutiert - Dänemark steht vor einem grossen Pandemieproblem.

In Zuchtnerzen ist das Coronavirus mutiert - Dänemark steht vor einem grossen Pandemieproblem.

Keystone

Dänemark hat ein heftiges neues Coronaproblem: Eine in gezüchteten Nerzen mutierte Virus-Variante breitet sich aus. Bisher wurden 12 Fälle gefunden, doch Experten vermuten ein Vielfaches davon - und damit eine unkontrollierte Ausbreitung in der Bevölkerung.

Einige sprechen von einer ähnlichen Situation wie im chinesischen Wuhan: Dass die spezielle Virus-Variante zunächst unbemerkt von Tieren auf Menschen gesprungen ist und sich weltweit ausbreitet. Im schlimmsten Fall, erklärte die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen, könnten die sich in Entwicklung befindlichen Impfstoffe nicht gegen die neue Variante namens «Cluster-5» wirken.

Frederiksen hat deshalb rigoros reagiert: Nicht nur eine Million, sondern sämtliche 17 Millionen der für die Pelzmantelproduktion gezüchteten Nerze auf den über tausend dänischen Farmen müssen getötet werden. In den betroffenen Landesteilen kommt es zum härtesten bisher in Skandinavien verfügten Lockdown. Die Bewohner dürfen ihre Gemeinden nicht mehr verlassen.

Die Mutation ist besonders gefährlich

Insgesamt wurden bei 214 Personen fünf aus Nerzen stammende Mutationen gefunden, wie das staatliche Institut für Seuchenbekämpfung erklärte. Doch Cluster 5 wird als besonders gefährlich eingeschätzt, da Tests gezeigt haben, dass die Variation weniger empfindlich auf Antikörper reagiert.

Während dies weiter untersucht wird, hat der Gesundheitsminister erklärt, Dänemark müsse die Mutation so schnell wie möglich ausrotten. Deshalb würden nun alle bisherigen positiven Coronatests noch einmal analysiert, um die Verbreitung von Cluster-5 aufzudecken. Von den bisherigen Fällen wurden elf in Nordjütland auf dem dänischen Festland gefunden, wo die meisten Farmen angesiedelt sind, und einer auf der Insel Seeland.

In diesen Regionen werden nun alle 280'000 Einwohner auf Corona getestet, und es gilt ein harter Lockdown: Dabei wird der öffentliche Verkehr eingestellt, Bewohner dürfen die Gemeindegrenzen nicht überqueren und müssen zu Hause arbeiten, wenn sie keine gesellschaftskritischen Funktionen ausüben. Restaurants und alle öffentlichen Einrichtungen schliessen, ebenso Hochschulen und Schulen ab der 5. Klasse.

Jetzt ist auch das Nachbarland Schweden betroffen

Dass das Coronavirus von Menschen auf Nerze und in Einzelfällen wieder zurück springt, ist bereits seit dem Sommer bekannt. Dänemark hat deshalb im September die Tötung der Nerze auf Farmen verfügt, wo Corona festgestellt wurde. Doch immer mehr Betriebe waren betroffen, zuletzt auch solche im Nachbarland Schweden – wobei nach wie vor unklar ist, wie Corona überhaupt zu den Nerzen gelangt. Der wahrscheinlichste Faktor ist der Mensch, doch haben Forscher auch Hinweise darauf gefunden, dass Möwen das Virus an ihren Füssen transportieren.

Da die aufwändige Vernichtung der Tiere bisher zu langsam vor sich ging, werden nun auch Angehörige von Armee und Zivilschutz eingesetzt. Verbrennungsanlagen klären ab, ob sie ihre Kapazitäten ausweiten können, denn die Entsorgung der Kadaver bereitet Schwierigkeiten. Die Felle für die Pelzmantelproduktion, in Dänemark ein millionenschwerer Wirtschaftszweig, dürfen nicht verwertet werden.

Da auch keine gesunden Nerze behalten werden dürfen, sieht sich die Branche in ihrer Existenz bedroht; entsprechend haben in Jütland am Freitag 200 Züchter mit Traktoren und Lastwagen gegen die Schlachtungen protestiert. Dass die Nerzzucht verboten wird, ist aber bisher für die Regierung kein Thema.