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Schwedische Gemeinden gehen einen neuen Weg, um Bettler zu vertreiben: Sie verlangen eine Gebühr und eine Registrierung.
Eskilstuna, eine Kleinstadt 100 Kilometer westlich von Stockholm, hat die Lizenz zum Betteln diesen Sommer als erste eingeführt. Die Gemeinde glaubt, damit einen Weg gefunden zu haben, um Bettler, die seit Jahren in Schweden auch in kleineren Ortschaften zum Strassenbild gehören, zurückzudrängen, und zwar flächendeckend.
Denn dies ist mit Verboten nicht möglich: Bisher haben acht schwedische Gemeinden das Betteln verboten, allerdings ist dies – nach Klagen bis vor das Oberste Gericht – nur auf genau definiertem öffentlichem Gebiet möglich, also etwa nicht in Gewerbezonen oder Einkaufszentren. Eine Lizenz dagegen gilt für das ganze Gemeindegebiet.
Um eine Lizenz zu erhalten, müssen sich Bettler in Eskilstuna bei der Polizei registrieren lassen und eine Gebühr von umgerechnet 25 Franken bezahlen. Damit wird ihnen für drei Monate die Erlaubnis zum «passiven Einsammeln von Geld», wie es in der Amtssprache heisst, erteilt. «Die Gebühr soll den ökonomischen Anreiz zum Betteln vermindern», erklärte Jimmy Jansson, der sozialdemokratische Gemeindepräsident von Eskilstuna, dem schwedischen Radio.
Er hofft auch, dass die neue Regelung die Bürger dazu bringt, Geld an Hilfsorganisationen zu spenden, statt es den Bettlern zu geben. Jansson möchte zudem noch weiter gehen: Er sähe gerne, dass die Lizenz jeden Tag von neuem eingeholt werden müsste und auch teurer würde. Dafür gibt es aber noch keine politische Mehrheit. Befürchtet wird ein grosser administrativer Aufwand, zumal fraglich ist, ob für die Polizei die Kontrolle von Bettlern hohe Priorität haben wird.
Laut Medienberichten haben sich früher zwischen 30 und 50 Bettler in Eskilstuna aufgehalten. Seit dem 1. August sind knapp 20 Gesuche für eine Lizenz eingegangen, wie die Rechtsabteilung der Polizei mitteilte; zwei davon wurden abgelehnt, weil die Gebühr nicht bezahlt wurde oder keine vollständigen Angaben zur Person gemacht wurden. Die Entwicklung weist also darauf hin, dass die Lizenzpflicht tatsächlich einen gewissen abschreckenden Effekt hat.
Gleichzeitig haben soziale Organisationen wie die Stadtmission festgestellt, dass die Stimmung gegenüber Bettlern in Eskilstuna aggressiver geworden ist. Sie würden angepöbelt, bedroht und sogar tätlich angegriffen, sagt Carolina Bäck von der Stadtmission:
Da die Politiker diese Menschen als Problem definiert haben, halten es die Leute offenbar für legitimer, die Sache selber in die Hand zu nehmen.
Die Debatte um Bettler, die zu einem grossen Teil aus Rumänien und Bulgarien stammen, ist in Schweden seit Jahren stark ideologisch geprägt. Die einen sehen eine humanitäre Verpflichtung gegenüber «sozial benachteiligten EU-Migranten». Die anderen vermuten Banden von Menschenhändlern hinter den Bettlern. Darauf gibt es zumindest Hinweise: Die Polizei hat 2018 15 Fälle aufgeklärt, bei denen Frauen und Männer von Hintermännern zum Betteln gezwungen worden waren. Inwiefern dies aber ein generelles Problem ist, ist unklar.