Coronavirus
Neuer Lockdown und Knast für Maskenverweigerer: Südafrikas grosse Angst vor der Coronamutation

In Südafrika ruft die Regierung einen neuen Lockdown aus. Wer in der Öffentlichkeit keine Maske trägt, dem droht ein halbes Jahr Gefängnis.

Markus Schönherr aus Kapstadt
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Südafrikas Jugend hielt sich nicht an die Massnahmen, jetzt geht das Land in den Lockdown.

Südafrikas Jugend hielt sich nicht an die Massnahmen, jetzt geht das Land in den Lockdown.

EPA/Key (Johannesburg, 29. Dezember 2020

Südafrika ist von allen Ländern Afrikas am stärksten von der Coronapandemie betroffen. Am Sonntag überschritt die Zahl der bisher Infizierten die Millionenmarke. Kaum 24 Stunden später trat der Staatschef für eines seiner «Familientreffen» mit den 60 Millionen Südafrikanern vor die Kameras. So nennt Cyril Ramaphosa neuerdings seine Ansprachen, die zuletzt selten Gutes verhiessen.

Sorge äusserte der Präsident vor allem über eine neue Variante des Virus. Mitte Dezember hatten südafrikanische Forscher die Entdeckung einer Coronaviren-Mutation - ähnlich, aber nicht ident mit jener in Grossbritannien - bekanntgegeben. «Sie scheint ansteckender als das Virus zu sein, das die erste Infektionswelle lostrat», so Ramaphosa.

Intensivbetten und Sauerstoff werden knapp

Anders als die meisten afrikanischen Staaten verfügt Südafrika über einen gut ausgestatteten Gesundheitssektor. Doch zuletzt geriet auch dieser an seine Grenzen. Täglich kamen zwischen 11'000 und 15'000 Infizierte hinzu. Richard Friedland, Geschäftsführer des privaten Krankenhausverbandes Netcare, sprach von «signifikanten und noch nie dagewesenen Anforderungen» an seine Spitäler: Intensivbetten, Beatmungsgeräte und Sauerstoff könnten zur Mangelware werden.

«Wir haben in unserer Achtsamkeit nachgelassen und leider zahlen wir jetzt den Preis dafür», sagte Ramaphosa in seiner abendlichen Ansprache. Der «Preis» ist die Rückkehr in einen verschärften Lockdown. Die Strände des Landes, wo die Massen traditionell Weihnachten und Neujahr feiern, waren in Hotspot-Regionen über die Feiertage bereits geschlossen. Jetzt wurde die nächtliche Ausgangssperre ausgedehnt, auf 21 bis 6 Uhr. Veranstaltungen bleiben für 14 Tage untersagt.

Wer in der Öffentlichkeit keine Maske trägt, dem drohen bis zu sechs Monate Gefängnis. Ebenso kehrte die Prohibition zurück: Der Verkauf von Alkohol ist, neben Tavernen auch in Supermärkten, verboten. In Johannesburg kam es zu Panikkäufen in Spirituosengeschäften, nachdem Gerüchte um Ramaphosas «Familientreffen» laut geworden waren. Auf ein komplettes Herabfahren der Wirtschaft, wie im März, verzichtete die Regierung im eigenen Interesse: Der erste Lockdown kostete den Schwellenstaat knapp drei Millionen Arbeitsplätze.

Gesundheitsexperten sind besorgt über das unachtsame Verhalten, das in den vergangenen Wochen in sogenannte Superspreader-Events gipfelte. Ohrenbetäubende Bässe vom DJ, hochprozentige Drinks und eine Mega-Tanzfläche: Das ist der jährliche «Matric Rage» in der Küstenprovinz KwaZulu-Natal. Doch allein von der Abschlussparty Anfang Dezember kehrten knapp 1000 Maturanden Corona-positiv in ihre Elternhäuser zurück. Ramaphosa lamentierte, Südafrikas Jugend fühle sich «stark und unbesiegbar».

Düstere Aussichten in Sachen Impfstoff

Ein Grund für die drastischen Massnahmen könnte die Aussicht auf einen Impfstoff sein. Die sind in Afrika eher düster. Mediziner und Behörden schätzen, dass eine Impfkampagne gegen Covid-19, wie sie derzeit in Europa anläuft, in Afrika frühestens im März beginnt. Andere Beobachter rechnen mit einem Start zur Jahreshälfte 2021. Zwar machen die Entwicklungen in westlichen Ländern Hoffnung. Zugleich aber lösten sie eine Debatte über «Impf-Nationalismus» aus.

Vor kurzem warnte die People’s Vaccine Alliance, ein globaler Zusammenschluss von Aktivisten, dass die ärmsten Staaten der Welt 2021 nur etwa zehn Prozent ihrer Bevölkerung gegen das Coronavirus impfen werden können. Grund seien mitunter reiche Staaten, die den Grossteil potenzieller Impfstoff-Kandidaten für ihre Bevölkerungen aufkauften. «Impf-Nationalismus ist eine Gefahr, da er Engpässe für ärmere Länder verursacht und deren Bürgern den Zugang zu Impfungen verwehrt», so Südafrikas Aussenministerin Naledi Pandor.

Afrikas Hoffnung heisst COVAX. Diese Impfinitiative soll vor allem Entwicklungs- und Schwellenländern helfen, ihre Ressourcen zu bündeln, um gemeinsam mit Pharmakonzernen zu verhandeln. Das Ziel: ein schnellerer Zugang zu der Impfung und günstigere Preise. Zusätzlich wurden Rufe laut, eine Covid-Impfung zum «öffentlichen Eigentum» zu erklären.