Einstige Erzfeinde
Obama telefoniert mit Castro und will Botschaft in Kuba eröffnen

Nach Jahrzehnten der offenen Feindschaft gehen die USA und Kuba aufeinander zu. US-Präsident Barack Obama und sein kubanischer Amtskollege Raúl Castro kündigten am Mittwoch im Fernsehen zeitgleich erste Schritte zur Normalisierung der Beziehungen an.

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Bei der Beerdigung von Nelson Mandela haben sich Obama und Castro erstmals die Hände gegeben.

Bei der Beerdigung von Nelson Mandela haben sich Obama und Castro erstmals die Hände gegeben.

Keystone

Auf US-Seite gehört dazu eine Lockerung des Handelsembargos. Beide Staaten liessen Gefangene frei und wollen nach mehr als 50 Jahren diplomatische Beziehungen aufnehmen. Die US-Regierung plant nach eigenen Angaben "in den kommenden Monaten" die Eröffnung einer Botschaft in Havanna.

Obama und Castro klärten in einem historischen Telefonat am Dienstag die letzten Einzelheiten. Die knapp einstündige Unterhaltung sei der erste offizielle Gesprächskontakt zwischen einem US-Präsidenten und einem kubanischen Staatschef seit der kubanischen Revolution gewesen, sagte ein US-Regierungsvertreter.

Papst half bei der Annäherung

Auch der Vatikan sei in die Geheimverhandlungen eingebunden gewesen und hat beim Prozess eine zentrale Rolle gespielt. Der Papst habe sich "in diesem Sommer" in persönlichen Schreiben direkt an US-Präsident Barack Obama und den kubanischen Staatschef Raúl Castro gewandt, sagte ein ranghoher Vertreter der US-Regierung.

Dadurch habe er den Annäherungsprozess vorangetrieben, sagte er am Mittwoch in Washington. Delegationen beider Länder hätten sich ausserdem zu Gesprächen im Vatikan getroffen.

Zuvor war bekannt geworden, dass die USA nach mehr als einem halben Jahrhundert ohne diplomatische Beziehungen ihr Verhältnis zu Kuba normalisieren wollen.

Beide Länder führen Verhandlungen über die Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen und den Austausch von Botschaftern, wie ein Vertreter der Regierung in Washington mitteilte. Ausserdem sollen die US-Sanktionen gegen Kuba gelockert werden.

Seit 1961 übernahm die Schweiz entsprechend ihrer Tradition der Guten Dienste die Interessenswahrung der USA in Havanna. Die Schweiz versuchte als sogenannte Schutzmacht ein unerlässliches Mass an Kontakten zwischen zwei Staaten aufrecht zu erhalten.

Ein "neues Kapitel"

Die USA hatten den Karibikstaat nach der Machtübernahme Fidel Castros mit einem scharfen Wirtschafts- und Handelsembargo überzogen, unter anderem weil Kuba das Eigentum amerikanischer Unternehmen auf der Insel verstaatlichte und sich dem Kommunismus zuwandte.

Obama kündigte in der Fernsehansprache ein "neues Kapitel" in der schwierigen Geschichte der beiden Länder an."Wir werden einen überkommenen Ansatz beenden, der über Jahrzehnte unsere Interessen nicht vorangebracht hat," sagte Obama. In spanischer Sprache fügte der Präsident hinzu: "Wir sind alle Amerikaner."

Castro dankte insbesondere Papst Franziskus für seine Vermittlung der Gespräche, ebenso wie der Regierung Kanadas. Dort hatten seit dem Sommer 2013 mehrere Treffen zwischen beiden Seiten stattgefunden. "Das heisst aber nicht, dass das Wichtigste gelöst ist", stellte Castro klar.

Ein "entscheidendes Problem" bleibt

Castro erinnerte daran, dass das 1962 verhängte Handelsembargo gegen Kuba noch immer Bestand habe. Das "entscheidende" Problem, wie das Embargo beseitigt werden solle, sei noch ungelöst.

Obama versprach, dass er gemeinsam mit dem US-Kongress über eine vollständige Aufhebung des 1962 verhängten Embargos gegen den kommunistisch regierten Inselstaat beraten wolle. Auch die Einstufung von Kuba als Unterstützerstaat von Terroristen solle überprüfen werden.

Nach US-Angaben sollen aber bereits die Restriktionen bei Reisen und Geldtransfers von in den USA lebenden Exil-Kubanern in ihr Heimatland weiter gelockert werden. Ausserdem soll die Ausfuhr bestimmter Güter - wie Baustoffe und landwirtschaftliches Gerät - nach Kuba erlaubt werden. US-Bürger sollen bei Reisen nach Kuba künftig Güter im Wert von maximal 400 Dollar importieren dürfen.

Widerstand im Kongress

Die Massnahmen kommen einer Zeitenwende gleich. Allerdings stösst Obama damit an die Grenzen seiner Befugnisse. Für eine vollständige Umsetzung der geplanten Massnahmen müssten vom Kongress Gesetze geändert werden.

Die Kuba-Politik unter Barack Obama

Mit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama haben die USA sich der benachbarten Insel Kuba schrittweise zugewandt. Unter Obamas Vorgänger George W. Bush galten die Beziehungen beider Länder als belastet.

Obama kündigte 2009 einen offenen Dialog an, lockerte Teile der Wirtschaftssanktionen und die zuvor strengen Reisebestimmungen. Er sprach sich auch für besseren Internetzugang auf Kuba aus, der dort immer noch langsam und teuer ist.

Das Internet soll helfen, die Zivilgesellschaft und einen offenen Dialog auf der Insel zu fördern. 2012 nahm Obama am Amerika-Gipfel im kolumbianischen Cartagena teil.

Und dort ertönt bereits scharfe Kritik. So reagierte Obamas Parteifreund, der demokratische Senator Robert Menendez, empört. Obama belohne "das brutale Vorgehen der kubanischen Regierung", erklärte der scheidende Vorsitzende des Aussenausschusses.

Sein republikanischer Kollege Marco Rubio kündigte an, alles zu unternehmen, um im Kongress eine Normalisierung der Beziehungen zu Kuba zu verhindern. Der führende Republikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner, sprach von einem weiteren "hirnlosen Zugeständnis" Obamas an einen Diktator.

Austausch von Gefangenen

Ein Gefangenenaustausch machte am Mittwoch den Weg für eine Neuausrichtung der Beziehungen endgültig frei. Kuba liess den 65-jährigen US-Bürger Alan Gross frei. Die Verhaftung Gross' galt als eines der grössten Hindernisse für eine Annäherung zwischen den Regierungen in Washington und Havanna.

Gross war im Dezember 2009 festgenommen und 2011 zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, weil er illegales Kommunikationsmaterial wie Satellitentelefone an Mitglieder der jüdischen Gemeinde auf Kuba verteilt haben soll. Bei seiner Verhaftung war der IT-Spezialist für die US-Entwicklungsorganisation USAID unterwegs.

Im Gegenzug erlaubte die US-Regierung drei kubanischen Geheimdienstagenten die Rückkehr in ihre Heimat. Die Männer waren 1998 in Florida festgenommen und 2001 wegen Spionageaktivitäten verurteilt worden. Im Zuge der Annäherung an die USA sagte Havanna die Freilassung von insgesamt 53 Gefangenen zu.