ÖLKRIEG: Der Retter Libyens soll wieder al-Gaddafi heissen

In Libyen tobt derzeit ein Ölkrieg zwischen der international anerkannten Regierung und der Gegenregierung in Ostlibyen. Im eskalierenden Chaos taucht ein alter Namen wieder auf – Saif al-Islam al-Gaddafi.

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Saif al-Islam al-Gaddafi auf einer Archivaufnahme von 2011. (Bild: Ben Curtis/AP)

Saif al-Islam al-Gaddafi auf einer Archivaufnahme von 2011. (Bild: Ben Curtis/AP)

Es ist eine Binsenwahrheit: Wer in Libyen das Öl kontrolliert, hat die Macht. General Chalifa Haftar, der Kriegsherr der Gegenregierung in Tobruk, will mit seiner sogenannten Nationalarmee die Kontrolle über die Öl-Terminals von Ras Lanuf und Bin Dschawad zurückerobert haben. Sie waren seinen Truppen von islamistischen Milizen, welche der Regierung in Tripolis nahestehen, vor zwei Wochen entrissen worden. Laut der Nachrichten-Website «Al Wasat» soll die Schlacht jedoch noch nicht beendet sein. Fajis al-Saradsch, Premierminister in Tripolis, hat bereits angekündigt, seine Regierung werde die Öleinrichtungen zurückerobern.

In der libyschen Bevölkerung scheint das Chaos derzeit die Sehnsucht nach einer Rückkehr zum Gaddafi-Regime zu schüren. Sechs Jahre nach dem gewaltsamen Sturz und Tod seines Vaters Muammar al-Gaddafi taucht der Name seines Sohnes Saif al-Islam plötzlich wieder auf – als ein möglicher Retter der Nation. Der Genfer Libyen-Experte Hasni Abidi hat sich dieser Tage von der «Tribune de Genève» wie folgt zitieren lassen: «Saif ist eine denkbare Alternative zum blutigen Duell der rivalisierenden Regierungen Libyens.»

Mit dieser Einschätzung steht Abidi nicht allein da. In ­Libyen spricht sich inzwischen ­sogar jener Mann, der den Gaddafi-Sohn im November 2011 in Zitan verhaftet hatte, für ein politisches Engagement von Saif al-Islam aus: Oberst Ajimi al-Atiri habe diesen aufgerufen, sich «in das Ringen um Libyens Einheit» einzubringen.

Saif al-Islam war zwar 2015 zum Tode verurteilt worden. Seit vergangenem August halten sich jedoch hartnäckig Gerüchte, dass Gaddafis Sohn nicht mehr im Gefängnis von Zitan sitzt. Vielmehr habe er in der westlibyschen Stadt ein Haus beziehen können. Zwar von Sicherheitskräften bewacht, empfange er dort regelmässig Besucher. Der Militärrat von Zitan will dies so nicht bestätigen. Die Website «Libya Observer» nennt den Aufenthaltsort von Saif al-Islam ein «neues Gefängnis» unter Aufsicht des Sozialrates der Stadt.

Wie dem auch sei – die Rivalität der beiden libyschen Regierungen in Tripolis und Tobruk könnte dem Gaddafi-Sohn tatsächlich in die Hände spielen. Saif kennt sich nicht nur im politischen Dickicht seiner Heimat bestens aus, er dürfte aus seiner Zeit als engster Vertrauter Muammar al-Gaddafis auch über Informationen verfügen, mit denen er Funktionäre beider Regierungen unter Druck setzen könnte.

Die grösste Hürde für ein politisches Comeback sind die immer noch laufenden Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag und das de jure weiter bestehende Todesurteil gegen Gaddafis Sohn. Doch skizziert ausgerechnet die UNO einen möglichen Ausweg. Sie moniert «gravierende Verfahrensfehler» im libyschen Verfahren gegen Saif al-Islam. Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte fordert eine unabhängige Untersuchung des im Juli 2015 abgeschlossenen Prozesses.

Gaddafi-Leute verlangen Volksabstimmung

Der Gaddafi-Sohn scheint sich nicht allein auf einen juristischen Ausweg verlassen zu wollen. Bereits am 9. Januar dieses Jahres hat die libysche Nachrichtenagentur Jamahirija die Erklärung zur Gründung einer von Saif al-Islam geführten «Volksfront zur Befreiung Libyens» veröffentlicht. Unter dem Dach dieser «Volksfront» sollen sich «alle Aktivisten zusammenfinden, die das Land von Kriminellen und Terroristen befreien wollen, welche die Religion als Deckmantel benutzen oder für ausländische Interessen kämpfen». Die Aufgabe der neuen Bewegung sei es, «wieder einen souveränen Staat aufzubauen.

Dazu schlagen die Gaddafi-Leute eine Volksabstimmung unter internationaler Kontrolle vor. Diese soll einen Rat, welcher die Stämme des Landes repräsentiert, und eine Volkskammer etablieren, die auch eine neue Verfassung auszuarbeiten hätte. Diese Forderungen untermauert die «Volksfront» mit dem nicht überprüfbaren Hinweis, dass sie bereits 2000 Mitglieder in Libyen habe und von etwa 15 000 ehemaligen Soldaten unterstützt werde, die im Exil lebten und bereit seien, nach Libyen zurückzukehren.

Walter Brehm