Korrespondent Rudolf Gruber über den Rechtsrutsch in Österreich.
Gewiss, in Europa sind Rechtsparteien keine Seltenheit mehr. Aber in Österreich regieren die Rechten mit, und die mit ihnen koalierenden Christdemokraten haben sich schamlos dem rechten Rand aus populistischen Motiven genähert. Daher ist die Rede vom Rechtsrutsch gerechtfertigt.
Der junge, machtbewusste ÖVP-Chef und Bundeskanzler Sebastian Kurz hätte dieses Bündnis nicht eingehen müssen. Doch er hat gezielt die rot-schwarze Koalition vorzeitig platzen lassen, um mit der FPÖ zu regieren. Dass er sich damit von der Strache-Partei abhängig und erpressbar macht, kalkulierte er kaltschnäuzig ein. Der Kuschelkurs, den beide seit der Wahl im Oktober vorführen, wird in der Regierung nicht lange halten: Die FPÖ ist nach wie vor ihren Wählern verpflichtet, und die teilweise rechtsradikalen Burschenschafter, die das ideologische Fundament dieser Partei bilden, werden Strache die Grenzen zeigen, sollte er zu kompromisslerisch werden. Das weiss Kurz: Im Regierungspapier musste er Strache die Zusage abringen, dass eine Volksabstimmung über die Mitgliedschaft der EU tabu sei. Das ist der Beweis, dass Kurz der FPÖ nicht vertraut.
Interessant wird auch sein, wie sich das gespannte Verhältnis zwischen Rechtsregierung und «grünem» Bundespräsidenten entwickeln wird. Alexander Van der Bellen ist auf der Hut: Frühzeitig stellte er das Europabekenntnis zur Bedingung, wenn er diese Regierung vereidigen soll. Auch machte er klar, dass er FPÖ-Ministerkandidaten mit fragwürdigem Ruf ablehnen werde. Strache verzichtete «brav» auf Provokationen. Doch zwischen den Machtzentren Hofburg und Ballhausplatz wird die nächsten fünf Jahre ein gewisses Misstrauen vorherrschen.
Rudolf Gruber, Wien