Während die Regierung aus Lega und Fünf Sternen immer beliebter wird, wirkt die italienische Linke gelähmt und auf groteske Art zerstritten. Dabei bräuchte Italien dringend eine schlagkräftige Opposition.
Das grösste Problem des Partito Democratico (PD), der früheren Regierungspartei von Ex-Premier Matteo Renzi, ist derzeit ein Abendessen. Der Ex-Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Carlo Calenda, hat dieser Tage die beiden Ex-Regierungschefs Renzi und Paolo Gentiloni sowie den ehemaligen Innenminister Marco Minniti zu sich nach Hause eingeladen, um zu tafeln und dabei über die Zukunft ihrer Partei zu diskutieren. Nach heftiger Kritik an dem geplanten Abendessen im kleinen, abgeschlossenen Kreis hat Calenda seine Einladung widerrufen: So habe das keinen Sinn, erklärte er letzte Woche. Der PD brauche einen Psychiater als Chef.
Für Normalsterbliche ist in der Tat kaum noch nachvollziehbar, was in der einst stolzen linken Partei vorgeht. Fest steht: Der PD, der unter Renzi bei den Europawahlen im Mai 2014 noch auf über 40 Prozent der Stimmen gekommen war, ist bei den Parlamentswahlen vom 4. März auf 18 Prozent abgestürzt. Von dem Schock hat sich Italiens Linke bis heute nicht erholt. Statt selbstkritisch über die Ursachen des historischen Wahldebakels nachzudenken, schlagen einzelne Exponenten abwechslungsweise eine Auflösung und Wiedergründung oder einen neuen Parteinamen vor. Man diskutiert nur über die Verpackung. Ernst zu nehmen ist das alles nicht.
Bezeichnend für den komatösen Zustand der Partei ist, dass ein halbes Jahr nach der Wahlschlappe noch nicht einmal ein Datum für den nächsten Parteikongress feststeht. An diesem Kongress müsste ein Nachfolger für Ex-Parteichef Renzi gefunden werden, der den PD in eine bessere Zukunft führt. Renzi möchte einen seiner Vertrauten auf den Chefposten hieven, hat aber bisher keinen Freiwilligen gefunden. Als Kandidat für das höchste Parteiamt hat sich erst sein parteiinterner Gegner Nicola Zingaretti aus Rom gemeldet. Diesen will der Ex-Premier, der in den Umfragen zum unbeliebtesten Politiker des Landes geworden ist, um jeden Preis verhindern.
Der 52-jährige Zingaretti, seit 2013 Präsident der Hauptstadtregion Latium, versucht immerhin, mit den verlorenen Wählern wieder in Kontakt zu treten. Als Antwort auf Calendas geplantes und dann geplatztes Abendessen der alten Parteinomenklatur hat er angekündigt, in Kürze einen Arbeiter, einen Unternehmer, einen Studenten und einen Arbeitslosen in eine Trattoria einzuladen. «Ich werde ihnen die Frage stellen: Wo haben wir Fehler gemacht?»
Zingaretti plädiert auch dafür, die Fünf-Sterne-Protestbewegung nicht zu verteufeln – um diejenigen Wähler der «Grillini», die sich vom PD enttäuscht abgewendet und am 4. März die Protestpartei gewählt haben, irgendwann wieder zurückzugewinnen. Renzi ist strikt gegen jegliche Zusammenarbeit mit den Fünf Sternen. In Umfragen kommt der wenig charismatische Latium-Präsident allerdings gerade einmal auf 30 Prozent Zustimmung. Die Regierung und ihre bekanntesten Exponenten werden derweil immer beliebter: Der parteilose Ministerpräsident Giuseppe Conte kommt auf 62 Prozent Zustimmung, der Vizepremier und Chef der rechtsradikalen Lega, Matteo Salvini, auf 60 Prozent und der zweite Vizepremier, Luigi Di Maio von den Fünf Sternen, auf 57 Prozent. Die Regierung insgesamt wird von 60 Prozent der Italiener unterstützt – gleich gross ist die Zustimmung zur bisher einzigen wirklich aufsehenerregenden Massnahme der neuen Exekutive, der Schliessung der italienischen Häfen für Schiffe, die Migranten an Bord haben.
Abgesehen von der populären Hafenschliessung hat die Regierung bisher wenig Zählbares vorzuweisen. Zum Beispiel hat sie – über einen Monat nach dem Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua – bis heute nicht entschieden, wer die neue Brücke baut und wer die Arbeiten als Sonderkommissar überwachen soll. Seit Wochen blockiert ist auch die Verabschiedung des Staatshaushalts 2019, weil sich – wenig überraschend – herausgestellt hat, dass die teuren Wahlversprechen von Lega und Fünf Sternen nicht finanzierbar sind. Für die Opposition wäre es ein Leichtes, auf die Widersprüche der Regierungspartner hinzuweisen, und es wäre auch dringend nötig. Aber der PD diskutiert lieber über ein Abendessen vier seiner ehemaligen Spitzenpolitiker.