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International
Europas Impfstrategie kommt nicht in die Gänge. Doch das ist nichts im Vergleich zu den Pandemieproblemen in anderen Weltteilen.
«Es ist nicht so, dass ich den Menschen den Frisör nicht gönne», witzelte Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern, als die deutsche Regierung die Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März bekanntgab. «Ich habe da selbst meine Probleme.» Doch die Massnahmen seien nötig. Lockerungen gibt es in Deutschland erst, wenn die Ansteckungszahlen deutlich fallen. Bis dahin bleiben Restaurants und Einkaufsläden zu. Nur die Schulen und Kitas dürfen in vielen Bundesländern bereits kommende Woche wieder aufgehen.
Österreich hingegen zeigt sich zuversichtlicher. Seit Montag sind Geschäfte, Schulen und Museen wieder offen. Nur das Tirol bleibt wegen der dort verbreiteten südafrikanischen Mutation im Lockdown. Ausreisen darf nur, wer einen negativen Coronatest vorweisen kann. Frankreich schliesslich hat den Gesundheitsnotstand bis im Juni verlängert. Noch immer gilt eine Ausgangssperre ab 18 Uhr. Ganz anders Italien, wo die Leute etwa in Rom bereits wieder in Scharen in die geöffneten Restaurants strömen.
So unterschiedlich die Lage in unseren Nachbarländern ist – eines haben sie gemein: Mit dem Impfen geht’s nicht voran. Während beim Impfweltmeister Israel bald zwei Drittel der Einwohner immunisiert sind, stagniert die Impfrate bei unseren Nachbarn weiterhin zwischen drei und vier Prozent (in der Schweiz sind viereinhalb Prozent bereits geimpft).
Und trotzdem: Im Vergleich zu vielen Entwicklungsländern ist Europa auf einem guten Weg. In Afrika etwa haben erst sechs von 54 Staaten überhaupt mit der Verteilung der Vakzine begonnen. Die Gesundheitsbehörde Africa CDC schätzt, dass die Impfkampagnen wohl erst im Frühjahr 2024 abgeschlossen sein werden. Und auch in Asien hinken viele Länder dem Fahrplan deutlich hinterher.
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Ein Überblick über die aktuellen Coronaexoten zeigt, wie schwierig der Kampf gegen die weltweite Pandemie bleibt.
Die 60 Millionen Tansanier warten bislang vergeblich auf eine Impfung. Die Regierung weigert sich standhaft, mit der Verteilung der Dosen zu beginnen. Stattdessen empfiehlt die Gesundheitsbehörde Kräuter- und Dampfkuren gegen das Virus. Den statistischen Überblick hat das ostafrikanische Land längst verloren. Offiziell sind noch immer nur 509 Tansanier an Covid-19 erkrankt. Und Präsident John Magufuli? Der hetzt gegen die westliche Medizin und verkündet am Fernsehen, Gott habe die Pandemie in seinem Land längst beendet.
Indonesien hat kürzlich damit angefangen, seine 270 Millionen Bürger mit dem chinesischen Impfstoff von Sinovac zu versorgen. Dabei werden nicht etwa wie in westlichen Ländern üblich zuerst die ältesten Menschen geimpft. Priorisiert werden alle 18- bis 59-Jährigen. Das Argument: Damit die darbende Wirtschaft möglichst schnell wiederbelebt werden könne, müssen sich die älteren Leute hintanstellen. Wirtschaftlich wichtig ist erst einmal die Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung.
Viel der 16 Millionen Kambodschaner gehören zu den ärmsten Menschen der Welt. Rund die Hälfte der Impfdosen im Land sind Spenden von befreundeten Staaten wie Australien oder China. Doch die ärmsten der Armen müssen wohl noch eine Weile auf ihren «Schuss» warten. Denn in Kambodscha entscheidet das Amt, nicht das Alter, wer zuerst drankommt. Premierminister Hun Sen, der das Land seit 1985 regiert, sagte Ende Januar: «Die erste Impfdosis wird an mich abgegeben.» Die Begründung: «Ich muss an der Front sein, wie es seit Jahrzehnten meine Gewohnheit ist.»
Die 70-Millionen-Nation hat einen Deal mit dem Impfstoffhersteller Astrazenec, doch der Stoff wird erst Mitte Jahr geliefert. Bis dahin setzt das Königreich auf die Dosen des chinesischen Herstellers Sinovac. Das stösst in einem Grossteil der Bevölkerung auf Kritik. Die Regierung nehme ein günstiges Angebot aus China an – und mache sich damit politisch abhängig, so der Tenor. Ähnliche Befürchtungen gibt es auf den Philippinen. Die Inselbewohner haben zudem in den vergangenen Jahren schlechte Erfahrungen mit Impfstoffen gegen das Denguefieber gemacht. Im Land grassiert eine grosse Impfskepsis.
Der Sohn des iranischen Gesundheitsministers Saaed Namaki kam Anfang Woche als erster dran und liess vor den TV-Kameras mit dem russischen Impfstoff «Sputnik V» impfen. Noch im August hatte das iranische Gesundheitsministerium eindringlich vor dem russischen Impfstoff gewarnt. Der abrupte Kurswechsel erfolgte um die Jahreswende. Revolutionsführer Ali Khamenei verbot die Einfuhr der Impfstoffe von Biontech und Moderna. Sein Argument: «Wenn die USA zuverlässige Impfstoffe hätten, warum sterben dort so viele Menschen?»