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Die nordischen Länder plädieren für Präsenzunterricht – mit Ausnahmen. Vier Länder, vier unterschiedliche Wege.
Während die Schweiz Schulschliessungen diskutiert, haben Grossbritannien und Deutschland bereits einen langen Lockdown verfügt: Schülerinnen und Schüler müssen vorerst bis Februar zu Hause bleiben. Die nordischen Länder, die bisher relativ glimpflich durch die Pandemie gekommen sind, setzen dagegen für die jüngeren Schüler auf Präsenzunterricht – wobei Dänemark ausschert.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Haltung der Mehrheit der Experten über den Sinn von Schulschliessungen – abgesehen von einer britischen Studie – klar: Kinder erhöhen die Infektionszahlen nicht, da sie sich selber und andere, zumindest bis zum Alter von 10, nur in geringem Umfang anstecken. Zu diesem Schluss kommt auch eine grössere Studie der Universität Zürich. Dennoch sorgen Ausbrüche an Schulen unter Eltern und Lehrern für Verunsicherung. Die Lage ist selbst für die bildungs- und sozialpolitisch häufig ähnlich tickenden nordischen Länder nicht eindeutig.
Norwegen betont die Gefahren von Schulschliessungen am stärksten. Dies aufgrund einer eigenen Studie vom Frühjahr: Diese ergab, dass geschlossene Schulen nur unbedeutenden Einfluss auf die Infektionszahlen hatten. «Dagegen sahen wir mehrere negative Effekte; die Konsequenzen sind zu gross», erklärte Frode Forland, der Chefepidemiologe der Gesundheitsbehörde.
Kinder hätten beim Lernen den Anschluss verloren und es seien vermehrt psychische und soziale Probleme festgestellt worden. Nach den Weihnachtsferien sind deshalb alle Schulen in Norwegen offen; ab der 8. Klasse werden aber die Kontakte zwischen den Klassen reduziert und es wird vermehrt auf Abstand geachtet.
Finnland hatte im Frühjahr die Schulen länger geschlossen, und darauf die Entwicklung mit Schweden verglichen, das immer Präsenzunterricht hatte. Fazit auch hier: Geschlossene Schulen veränderten die Ansteckungszahlen kaum. Sowohl für Finnland wie auch Norwegen gilt allerdings, dass die Infektionen während der Pandemie vergleichsweise tief blieben. Im Herbst führte Finnland ab der 10. Klasse zeitweise Distanzunterricht ein, kurz vor Weihnachten dann für alle. Im Januar sind die Klassen aber zurückgekehrt. Es wird der Schülerschaft Mundschutz empfohlen – eine Massnahme, auf die die anderen nordischen Ländern verzichten.
Die Dänen sind am restriktivsten. Das Land hat im Januar die Schulen gar nicht geöffnet, auch nicht für die Kleinsten. Die Massnahme gehört zu einem weitgehenden Lockdown mit Schliessungen von Geschäften und Restaurants. Die Regierung begründet das Vorgehen mit der Furcht vor der raschen Ausbreitung der englischen Coronamutation.
Die Schulschliessungen sind allerdings ein politischer Entscheid, denn die Gesundheitsbehörden erklärten, sie beurteilten das Risiko für Kinder weiterhin als gering. Die Ausbrüche an Schulen konnten mit der guten Testinfrastruktur rasch kontrolliert werden. Der Virologe Christian Kanstrup fordert die Regierung deshalb auf, die Schliessungen rückgängig zu machen. Bisherige Erkenntnisse deuteten darauf hin, dass Tausende Kinder durch einen Lockdown psychische Probleme entwickeln könnten.
Schweden geht einen Mittelweg – und setzt auch in der Schulfrage auf Freiwilligkeit. Grundschulen bleiben nach Weihnachten zwingend offen, ab der 7. Klasse besteht jedoch die Möglichkeit, auf Distanzunterricht umzustellen – entscheiden können die Schulleiter. Ab der 10. Klasse wird wie schon seit dem Herbst vorerst nur online unterrichtet. Aus Sicht der Gesundheitsbehörde haben sich offene Grundschulen als «erfolgreiche Strategie erwiesen».