Präsidenten-Treffen
Lukaschenko reist als Bittsteller zu Putin – und beschuldigt die USA, ein Attentat auf ihn geplant zu haben

Ein Staatsbesuch im Schatten eines angeblich verhinderten Attentats auf den weissrussischen Präsidenten, der dafür die USA beschuldigt.

Paul Flückiger, Warschau
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Putin (l) und Lukaschenko.

Putin (l) und Lukaschenko.

Bild: A. Druzhinin/EPA (Sochi, 22. Februar 2021)

Früher ist Wladimir Putin ab und zu nach Minsk zu seinem treuesten Verbündeten Aleksander Lukaschenko geflogen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute ist der weissrussische Autokrat ein Bittsteller in Russland, das zeigt jeweils schon seine Körperhaltung.

Bereits zum dritten Mal seit der mutmasslich gefälschten Präsidentenwahl vom August 2020, bei der Lukaschenko mit rund 80 Prozent Zustimmung ein sechstes Mal als Staatschef bestätigt worden sein will, reiste der angeschlagene Diktator am Donnerstag nach Moskau. Auf der Tagesordnung standen laut der weissrussischen Presseagentur «Belta» der Ausbau der bilateralen Beziehungen und dabei vor allem Wirtschaftsfragen.

Bei einem Handelsvolumen von umgerechnet rund 30 Milliarden Franken ist Weissrussland vor allem von Russland abhängig, das teilweise immer noch unter dem Weltmarktpreis Rohöl und Gas liefert. Daneben sollte laut offiziellen Angaben die gemeinsame Abwehr der Coronapandemie und Transportfragen besprochen werden.

Lukaschenko spielt erneut auf Zeit

Nicht explizit erwähnt wurde der bereits 1996 vertraglich besiegelte gemeinsame Föderationsstaat Russland-Weissrussland (ZBiR), auf den der Kreml seit 2019 immer vehementer drängt. Bisher ist das Gebilde vor allem ein Papiertiger. Lukaschenko hat es immer wieder verstanden, sich aus dem Projekt herauszuwinden und dessen Umsetzung zu verzögern. Nach den Protesten von 2020 ist er jedoch auf russische Unterstützung mehr denn je angewiesen. Nun hiess es auf der PK nach dem Treffen, noch immer müssten 2-3 (von 29) ZBiR-Roadmaps - darunter Steuern und Verteidigung - verhandelt werden. Lukaschenko hat also erneut Zeit gewonnen.

Ein besonders brisantes Thema besprachen die beiden Staatschefs unter dem Tagesordnungspunkt «aktuelle Bedrohungen»: Ein angeblich verhindertes Attentat auf Lukaschenko und dessen drei Söhne im Alter von 16 bis 45 Jahren. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow meldete vor dem Treffen genüsslich, das Attentat und der damit geplante gewaltsame Umsturzversuch könne den gemeinsamen Föderationsstaat ZBiR nicht beeinflussen. Diese Pläne würden dadurch weder beschleunigt noch auf Eis gelegt. «An Attentate müssen wir uns gewöhnen», sagte Peskow stattdessen.

Opposition sieht «letzten Rest Souveränität in Gefahr»

In Minsk hatte die Opposition derweil die Sorge geäussert, Lukaschenko könnte nach dem angeblich verhinderten Attentat zu grösseren Zugeständnissen gegenüber Putin bereit sein. «Der letzte Rest unserer Souveränität ist in Gefahr», hiess es unter Oppositionspolitikern.

Anders die von Lukaschenko gekaperte Staatsorgane: Der KGB-Offizier Konstanstin Bytschek informierte in Minsk just während des Treffens der beiden Staatsoberhäupter in Moskau über erste Untersuchungsergebnisse zum angeblichen Umsturz. Dabei wollte Bytschek Gerüchte, wonach sich unter den Attentätern auch ein General des Weissrussischen Heeres befinden soll, nicht bestätigen.

Letzte Woche waren in Moskau der Lukaschenko-Biograf und Politologe Aljaksandr Fjaduta und der US-weissrussische Jurist Juri Zenkowitsch verhaftet worden. In Minsk wiederum verhaftete der KGB den Oppositionspolitiker Grigori Kostusew.

Hinter dem Umsturzversuch sollen laut Lukaschenko die USA «mit ihrem Handlanger Polen» stehen. Diese Version hält auch der Kreml hoch: «Dass der Umsturzversuch ohne Beteiligung der USA hätte geschehen können, ist praktisch undenkbar», sagte eine Sprecherin des russischen Aussenministeriums.