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Mit der Königin trauert Grossbritannien um Prinzgemahl Philip. Bis ins hohe Alter nahm er öffentliche Termine wahr, mit künstlicher Hüfte erschien er an der Hochzeit von Harry und Meghan. Seine Loyalität zu Elizabeth war ohne Beispiel.
Als Prinzgemahl war der Herzog von Edinburgh, der jetzt im 100. Lebensjahr verstorben ist, bis ins hohe Alter von Königin Elizabeths II Seite nicht wegzudenken. Stets ein, zwei Schritte hinter der Queen, kerzengerade, diskret, formvollendet – an dieser Aufgabe wäre so mancher Mann aus Philips Generation verzweifelt.
It is with deep sorrow that Her Majesty The Queen has announced the death of her beloved husband, His Royal Highness The Prince Philip, Duke of Edinburgh.
— The Royal Family (@RoyalFamily) April 9, 2021
His Royal Highness passed away peacefully this morning at Windsor Castle. pic.twitter.com/XOIDQqlFPn
Wenn er wehleidig veranlagt gewesen wäre, hätte der aus ursprünglich deutschem Adel Stammende viel zu klagen gehabt über die Ungerechtigkeit der Welt. Aber alles Zartfühlende wurde dem Enkel des letzten griechischen Königs und Ururenkel Königin Victorias schon als Kind ausgetrieben, spätestens auf dem Internat im schottischen Gordonstoun.
Er gab selten Auskunft über sich und klagte nie. «Ich will jetzt kürzer treten», teilte er in einem TV-Porträt zum 90. Geburtstag mit. «Ich habe meinen Beitrag geleistet.»
In Wirklichkeit machte der rüstige Marineoffizier noch Jahre lang weiter, ehe er im zarten Alter von 96 Jahren alle öffentlichen Termine zur Unterstützung jener 780 Organisationen, bei denen er als Schirmherr agiert hatte, einstellte. Bei grossen royalen Terminen tauchte er dennoch weiterhin in der Öffentlichkeit auf, beispielsweise mit gerade frisch eingesetzter künstlicher Hüfte bei der Hochzeit seines Enkels Prinz Harry mit Meghan Markle.
Philips Beitrag zum Fortbestand der Monarchie bestand vor allem in der «beispielhaften Loyalität» für seine Frau, wie der Queen-Biograph Thomas Kielinger schreibt. Elizabeth hatte sich mit 13 Jahren in den mittellosen Leutnantsanwärter verliebt und eisern gegen manche Widerstände bei Hof an Philip festgehalten. Der Hochzeit 1947 folgten rasch die beiden Kinder Charles und Anne, später kamen die Prinzen Andrew und Edward hinzu.
Nur kurz war dem jungen Paar die glückliche, unbeschwerte Zeit auf Malta vergönnt, wo der Marineleutnant Philip stationiert war. Der Tod Georges VI. im Februar 1952 bedeutete für den gerade 30-Jährigen ambitionierten Offizier das Aus der eigenen beruflichen Karriere. Dass die Kinder laut Beschluss des Kronrats Windsor statt Mountbatten heissen sollten, ärgerte den Prinzen masslos: «Ich bin eine verdammte Amöbe.»
Zähneknirschend fügte sich Philip in sein Schicksal. Was das Geheimnis einer glücklichen Ehe ausmache, hat er später so definiert: «unterschiedliche Interessen». Während Elizabeth sich vor allem für ihre Pferde und Hunde interessierte, spielte der Prinzgemahl mit hoher Energie Hockey und Cricket, präsidierte den WWF, versuchte sich als Maler und Photograph.
Früh schon hatte der Abkömmling des Hauses Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg seine lebenslange Liebe zu schnellen Autos entdeckt. Sein geliebter Onkel und Ersatzvater, Admiral Louis Mountbatten hat der Nachwelt, darunter dem Queen-Biographen Ben Pimlott, dazu eine wunderbare Anekdote hinterlassen.
Auf dem Weg zu einem Polomatch sei der Prinz viel zu schnell unterwegs gewesen, weshalb die Königin spürbar verkrampft neben ihm sass und immer wieder hörbar einatmete. Da habe sich der Fahrer wütend an seine Frau gewandt: «Wenn Du das noch einmal machst, schmeisse ich Dich raus!» Im Auto kehrte Stille ein.
Weshalb sie sich denn diese Behandlung habe gefallen lassen, fragte Admiral Mountbatten später seine Nichte: «Schliesslich hattest Du Recht, er fuhr viel zu schnell.» Elizabeth II. erwiderte: «Aber Du hast doch gehört, was er gesagt hat» – offenbar hatte Ihre Majestät berechtigte Sorge, auf offener Strasse an die Luft gesetzt zu werden.
Die feinen Herrenschneider der Savile Row lobten Philip für seine «wundervoll zurückhaltende Eleganz», mit der er «in vielerlei Hinsicht den britischen Gentleman verkörpert» habe. Zum Diplomaten freilich brachte es der Prinzgemahl nicht. «Niemand hat je ein Treffen mit ihm vergessen», hat dies Prinz Edward einmal ein wenig zweideutig ausgedrückt.
Britische Studenten in China warnte der Prinzgemahl vor allzu langem Verweilen; sie könnten sonst «Schlitzaugen» bekommen wie ihre Gastgeber. An den Ungarn fielen ihm die «Bierbäuche» auf, in Schottland sah er sich von «Alkoholikern» umgeben.
Die festliche Stammesbekleidung des nigerianischen Präsidenten bei einem Staatsbankett kommentierte der Herzog, sein Gegenüber sei wohl «schon fertig fürs Bett». Den damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl begrüsste er bei einem offiziellen Termin jovial als «Guten Tag, Herr Reichskanzler».
Mit solcherlei politischer Unkorrektheit zog sich Philip immer wieder Kritik der Medien zu und erfüllte damit die wichtige Funktion eines Blitzableiters, der von der unantastbaren Monarchin ablenkt. Gegen Ende seines Lebens zeigte die Nation ihm zunehmend Respekt, ja Dankbarkeit. Bei einer Umfrage nach dem beliebtesten Einwanderer belegte er 2012 Platz Eins.