Bei den Regionalwahlen in Frankreich fällt das «Rassemblement National» von Marine Le Pen auf unter 20 Stimmenprozent zurück. Nicht besser ergeht es der Partei von Präsident Macron.
Was banal klingt, ist in Wahrheit eine grosse Überraschung: Sieger des ersten Durchgangs der französischen Regionalwahlen sind die traditionellen Parteien. Konservative (28,4 Stimmenprozent) und Linksgrüne (29 Prozent) dürften die 13 französischen Regionen im zweiten Wahlgang in einer Woche unter sich aufteilen.
Das rechtsextreme «Rassemblement National» (RN) von Marine Le Pen vermag seinen seit Jahren festgestellten Vormarsch nicht fortzusetzen. Statt zuzulegen, wie es die Umfragen vorhergesagt hatten, fallen die Lepenisten auf 19,3 Prozent zurück. Ein Debakel.
In den «Hauts-de-France» des industriellen Nordens verlor der RN-Mann Sébastien Chenu fast 20 Punkte auf den amtierenden Republikaner Xavier Bertrand, der im kommenden Jahr bei den französischen Präsidentschaftswahlen antreten will. An der Côte d’Azur und der Provence liegt der rechte Starkandidat Thierry Mariani knapp vor dem republikanischen Regionalratschef Renaud Muselier; ob dies für den Sieg im zweiten Wahlgang reicht, ist unsicher: Der regionale Jean-Laurent Linkskandidat will sich nicht zurückziehen will, wie das in Frankreich üblich ist, um den Sieg der Rechtspopulisten zu verhindern.
Ein Grund für den Rückschlag der Rechtsradikalen ist die rekordtiefe Stimmbeteiligung von bloss 31 Prozent. Zwischen Covidkrise und Sommerpause hatten die Franzosen den Kopf offensichtlich ganz woanders. Viele junge RN-Wähler, die sich vom politischen System ohnehin ausgegrenzt fühlen, gingen noch weniger zahlreich an die Urnen als die traditionellen Wähler. Marine Le Pen räumte am Wahlabend ein, ihre Wähler hätten sich «nicht genug mobilisiert».
In Paris kursiert nun wieder die These von der «gläsernen Decke» der Le-Pen-Partei: Die Partei der Protestwähler und Gelbwesten, Schlechtgestellten und -gebildeten stosse stets an den soziologischen Wählerplafonds von einem guten Drittel der Stimmen, sagen Politologen. Im zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahlen von 2017 hatte Le Pen gegen Macron auch nicht mehr als 33,9 Prozent der Stimmen erzielt. In der Region «Provence-Alpes-Côtes d’Azur», kurz Paca genannt, schneiden die Rechtsnationalen jeweils etwas besser ab, weil dort viele Rentner und Algerien-Rückkehrer für Le Pens Argumente (Immigration, Kriminalität) empfänglich sind.
Nicht besser als Marine Le Pen erging es in dieser «Zwischenwahl» dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron. Seine Partei «La République en marche» (LRM) kam im ganzen Land nur auf 10,6 Prozent der Stimmen. Das Debakel zeigt, dass der Staatschef auch nach fünf Jahren im Elysée-Palast noch über keine lokale Verwurzelung verfügt. Er hatte deshalb schon vor dem Wahltag prophylaktisch erklärt, der regionale Urnengang habe «keine nationalen Konsequenzen». Gemeint war: Keine Auswirkung auf seine Stellung.
Macrons Desinteresse für die Regionalwahlen trügt allerdings: In den letzten Wochen hatte er alles daran gesetzt, um das Steuer herumzureissen. So entsandte er eine Reihe prominenter Minister in den Wahlkampf; auch lockerte er den Covid-Lockdown nicht zufällig zehn Tage vor den Regionalwahlen. Dann hob er überraschend die Maskenpflicht im Freien auf, um die Stimmung der Franzosen zu heben.
Die Aussagekraft der Regionalwahlen für die wichtigeren Präsidentschaftswahlen im Mai 2022 ist allerdings beschränkt. Das zeigt sich schon im zentralen Punkt: In den Umfragen für die Präsidentschaftswahl 2022 führen die beiden Regionalwahlverlierer, Macron und Le Pen. Die Überraschung der Regionalwahlen macht aber deutlich, dass die Franzosen solche Vorhersagen gerne an der Urne widerlegen.
Noch weniger Beachtung fanden in Frankreich am Sonntag die gleichzeitig abgehaltenen Departementswahlen. Deren Resultate lagen am Montag noch nicht vollumfänglich vor. Macrons Lager muss allerdings bei der Stichwahl in einer Woche mit dem Schlimmsten rechnen.