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Der glücklose Premier wird in den nächsten Tagen von Matteo Renzi abgelöst werden. Zwar ist noch nichts definitiv, aber die Lettas Abtreten gilt in den italienischen Medien als sicher. Unklar sei lediglich das Amt, mit dem er abgespiesen werden soll.
Der italienische Regierungschef Enrico Letta gerät immer mehr unter Druck. Gestern spekulierten die Medien über eine bevorstehende Ablösung des Premiers durch PD-Chef und Parteifreund Matteo Renzi.
Eines der ganz wenigen Probleme, die es noch zu lösen gelte, betreffe das Amt, mit welchem der glück- und erfolglose Letta nach seiner Ablösung als Regierungschef abgespeist werden soll, meldete der «Corriere della Sera» gestern in seiner Online-Ausgabe unter dem Titel «Stafette Letta-Renzi – die letzten Details».
Zwar werde über das Schicksal Lettas erst morgen Donnerstag an einem Treffen der PD-Spitzen entschieden, bei dem ein Beschluss über die weitere Unterstützung Lettas durch die eigene Partei erfolgen soll. Doch die Ablösung des Premiers durch Renzi sei inzwischen «das einzige Szenario, das von den Parteien, den Institutionen und der Wirtschaft noch erwogen wird».
Tatsächlich spürt Letta seit der Wahl des ungestümen Matteo Renzi an die Spitze der Sozialdemokraten im Dezember immer heftiger den heissen Atem seines Parteifreundes im Nacken. Der 39-jährige PD-Chef wirft dem acht Jahre älteren Premier vor, Reformen zu zögerlich oder gar nicht in Angriff zu nehmen.
Renzi steht mit seiner Kritik nicht allein da. Vergangene Woche stellte Arbeitgeberpräsident Giorgio Squinzi dem Regierungschef ein Ultimatum: Entweder präsentiere Letta bei dem für nächste Woche vereinbarten Treffen ein konkretes Programm für Steuersenkungen und zur Ankurbelung der Wirtschaft. Oder man werde bei Staatspräsident Napolitano vorstellig und auf einen Regierungswechsel pochen.
Vergebliches Warten auf Pakt
Letta hat nicht die Absicht, kampflos die Waffen zu strecken: «In den nächsten Stunden werde ich einen neuen Koalitionspakt präsentieren, der sich auf wirtschaftliche Themen konzentriert, und der alle Parteien der Regierungskoalition überzeugen wird, den PD eingeschlossen», erklärte Letta gestern nach einem Gespräch mit Napolitano. Auf diesen «Pakt» wartet man in Rom freilich schon seit Wochen vergeblich. Und es erscheint unwahrscheinlich, dass Letta bis zur entscheidenden Sitzung der PD-Führung vom Donnerstag ein Programm aus dem Hut zaubern kann, das einer kritischen Prüfung durch Renzi und Squinzi standhalten wird.
Vielmehr könnten sich die Ereignisse nun überstürzen. «Die Batterien der Regierung sind leer», erklärte Renzi am Montagabend ungnädig. Die Parteiführung werde nun entscheiden, «ob die Batterien ausgewechselt oder wieder aufgeladen werden». Gestern Abend forderte auch der Fraktionspräsident von Mario Montis Mitte-Partei in der Abgeordnetenkammer, Andrea Romano, den Rücktritt Lettas. Nur so könne einem Neuanfang der Weg geebnet werden. Montis Partei gehört der Regierungskoalition an. Auch der Premier räumte gestern ein, dass sich das Schicksal seiner Regierung «in der Hand der Vorsehung» befinde.
Drei Szenarien
Konkret stehen nun drei Szenarien zur Wahl.
Eine Regierungsumbildung mit der Auswechslung einiger weniger Minister und einer anschliessenden neuen Regierungserklärung. Diese Variante wird von Letta bevorzugt.
Die «Stafette» von Letta zu Renzi ohne vorgezogene Neuwahlen.
Neuwahlen noch vor dem Sommer – das Wunschszenario von Ex-Premier Silvio Berlusconi, dem auch Renzi nicht ganz abgeneigt scheint.
Vorgezogene Neuwahlen mit der Aussicht auf ein neues Patt dürften am Veto Napolitanos scheitern. Somit bleiben nur die Szenarien eins und zwei: ein Neuanfang unter Letta – oder eben unter Renzi.
Der PD-Chef hat die zweite Möglichkeit bisher abgelehnt und auf das traumatische Beispiel der Ablösung von Premier Romano Prodi durch Ulivo-Partner Massimo D’Alema im Jahr 1998 verwiesen. Verschwörungstheorien, Missgunst und Intrigen erschütterten anschliessend den Centrosinistra. Doch nun deutet alles auf eine Wiederholung dieses Experimentes hin – eines Experimentes, das bei den Wahlen 2001 mit der triumphalen Rückkehr Berlusconis an die Macht geendet hatte.