Bei Journalisten ist Grünen-Chef Werner Kogler gefürchtet. Jetzt könnte er Vize-Kanzler werden.
Die österreichischen Grünen fürchten positive Wahlprognosen, weil sie kaum je eintreffen. Diesmal aber stimmte die optimistische Vorhersage. Dafür sorgte ihr charismatischer Parteichef Werner Kogler: Mit 14 Prozent der Stimmen erzielte die Öko-Partei am Sonntag bei den Neuwahlen das beste Ergebnis in ihrer über 30-jährigen Geschichte.
Dieses Glanzergebnis trauten dem Grünen-Chef zunächst nur Wenige zu: Mit Intellekt, Bodenständigkeit und steirischem Brachialcharme entsorgte der 57-jährige studierte Ökonom die ins Hipster-Milieu abgehobene Funktionärspartei und führte die Grünen zunächst zurück zu ihren Wurzeln Umweltschutz, Öko-Landwirtschaft, Menschenrechte. Mit einem fulminanten Wahlkampf kehrten die Grünen zurück ins Parlament, aus dem sie vor zwei Jahren rausgeflogen waren.
Nach der Wahl steht Kogler vor einer neuen, schier unüberwindbaren Hürde: Wie soll er seiner Parteibasis erklären, dass es Sinn für Österreich macht, mit Wahltriumphator und Ex-Kanzler Sebastian Kurz die erste schwarz-grüne Bundesregierung zu bilden? Kogler versucht es zunächst mit höhnischen Sprüchen über Kurz und die ihm hörige ÖVP: «Wir werden ja sehen, wie sich die Sektenmitglieder des Kanzlerdarstellers verhalten.» Dass Schwarz-Grün die derzeit einzige realistische Koalitionsvariante ist – nach ihren Wahldebakeln sind die rechte FPÖ und die sozialdemokratische SPÖ vorerst regierungsunfähig –, weiss Kogler nur zu gut. Doch braucht er dafür die Zustimmung der Basis, für die Kurz schlicht ein rotes Tuch ist. Helfen mag ihm die Tatsache, dass schwarz-grüne Bündnisse bereits in drei Bundesländern gut funktionieren. Doch die Landesparteien sind näher am Wähler und müssen daher viel pragmatischer regieren.
«Wir werden ja sehen, wie sich die Sektenmitglieder des Kanzlerdarstellers verhalten.»
Gänzlich unvorstellbar bleibt vorerst, wie bei grünen Schlüsselthemen wie Asyl- und Flüchtlingspolitik, ökologischer Steuerreform, strengerem Umweltschutz, Rückbau des Verkehrs, Mindesteinkommen oder uneingeschränkter Transparenz bei Parteifinanzen Kompromisse mit der ÖVP erzielt werden sollen, die in all diesen Fragen teils total konträre Standpunkte vertritt.
Kogler steht also vor der bislang schwierigsten Verhandlungsrunde seiner Polit-Karriere. Als Spitzenmann, der er seit 2017 ist, fühlte sich Kogler zunächst eher unwohl. Er war es gewohnt, in der zweiten Reihe zu stehen, jahrelang als Stellvertreter der schillernden Ex-Chefin Ewa Glawischnig. Populär machte ihn seine hartnäckige Arbeit im Parlamentsausschuss zur Aufklärung des Finanzskandals der Hypo Alpe Adria, Jörg Haiders einstiger «Hausbank». Gefürchtet bei Journalisten ist vor allem Koglers kaum zu bremsender Redeschwall. Einmal quälte er auch Parlamentskollegen im Budgetausschuss mit einer fast 13-stündigen Filibuster-Rede, die er mit der lakonischen Bemerkung abschloss: «Das ist eigentlich schon alles, was ich sagen wollte.»