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Kaum sickerte in Belfast durch, dass die nordirische Ministerpräsidentin ihren Rücktritt ankündigen wird, signalisierte der Nachfolge-Favorit einen Kurswechsel: Kurzfristig wurde ein lang vereinbartes Treffen abgesagt, bei dem praktische Probleme des britischen EU-Austritts thematisiert worden wären.
Eindeutiger hätte die Geste nicht ausfallen können. Kaum sickerte in Belfast durch, die nordirische Ministerpräsidentin Arlene Foster werde nach gut fünf Amtsjahren ihren Rücktritt ankündigen, signalisierte der Favorit auf Fosters Nachfolge schon einen Kurswechsel: Kurzfristig sagte Umwelt- und Agrarminister Edwin Poots ein lang vereinbartes Treffen mit seinem südirischen Pendant ab. Denn auf der Tagesordnung standen praktische Probleme des britischen EU-Austritts; dieser stellt die Hauptursache für das vorzeitige Aus der 50-jährigen Vorsitzenden der protestantisch-unionistischen DUP dar.
Der schwarze Schatten des Brexit lastet schwer auf dem britischen Nordosten der grünen Insel, dessen Abtrennung vom Rest des Landes sich am Montag zum 100. Mal jährt. Seit Neujahr, als das Vereinigte Königreich endgültig Binnenmarkt und Zollunion der Brüsseler Gemeinschaft verliess, gilt für Nordirland eine Ausnahmeregel. Dieses Protokoll im EU-Austrittsvertrag hält die kaum noch existente Landgrenze auf der grünen Insel offen und garantiert den Verbleib von ganz Irland im europäischen Binnenmarkt.
Dadurch entstand aber die Notwendigkeit begrenzter Zoll- und Warenkontrollen zwischen der einstigen Bürgerkriegsprovinz und der britischen Hauptinsel – eine Notwendigkeit, die von Premier Boris Johnson gern geleugnet wird.
Die Realität sieht anders aus. Die Regale führender Supermärkte blieben in den vergangenen Monaten immer wieder leer, weil wegen zeitraubender Kontrollen der Nachschub fehlte. Dublin bedauere jegliche Beeinträchtigung der nordirischen Wirtschaft, beteuerte der irische Vizepremier Leo Varadkar kürzlich. Die Schuld an den neuen Handelshindernissen liege aber woanders: «Wir wollten sie nicht, deshalb waren wir gegen den Brexit und gegen Grossbritanniens Austritt aus dem Binnenmarkt.»
Auf brutale Weise umschrieb Varadkar damit das Dilemma der nach London orientierten Protestanten. Die DUP positionierte sich als einzige grössere politische Kraft Nordirlands vor fünf Jahren für den Brexit. Hingegen stimmten die Nordiren mit 56:44 Prozent für den Verbleib in der EU. Kein Wunder, dass die nun auftretenden Probleme selbst von der eigenen Klientel der Protestantenpartei zugerechnet werden.
Zumal deren Unterhaus-Abgeordnete alle Kompromissideen von Johnsons Vorgängerin Theresa May torpedierten, darunter auch eine Lösung, die dem heutigen Protokoll annähernd gleichkommt. Brexit-Vormann Johnson versprach den Unionisten mehr Härte gegenüber Brüssel, unterzeichnete aber den nun geltenden Vertrag.