Mit der Gründung eines männlichen Frauenrates setzte sich ein Provinz-Gouverneur in die Nesseln. Der Spott in sozialen Medien ist ihm gewiss. Der Vorfall zeigt, in welche Sackgasse sich die islamische Monarchie manövriert hat.
Gut gemeint ist bekanntlich nicht automatisch gut gemacht. Dies erfuhr dieser Tage Prinz Faisal bin Mishal bin Saud, Gouverneur der zentralsaudischen Provinz Qassim. Als erster Politiker des sittenstrengen Landes proklamierte er einen regionalen Frauenrat, der die Anliegen der weiblichen Bevölkerung voranbringen soll. Schliesslich will sich die ultrakonservative Monarchie modernisieren, Frauen mehr Rechte geben und sie endlich stärker am Arbeitsleben beteiligen.
Bei der Rats-Premiere jedoch sassen nur 13 Männer auf der Bühne – was in der Twitter-Welt des Königreiches für reichlich Spott und Kritik sorgte. Die Frauen dagegen blieben, wie in Saudi-Arabien üblich, unsichtbar in einem Nebenraum – mit dem Männergeschehen lediglich per Videolink verbunden. «Satire? Komödie? Nein – das ist die Realität», schimpfte eine Userin. «Das ist wahrer Fortschritt, zum ersten Mal geben sich Männer als Frauen», ätzte eine andere.
Die Geschlechterposse zeigt, in welche Sackgasse sich das Königreich mit seiner strikten Scharia-Trennung der Geschlechter hineinmanövriert hat. Nicht nur in Qassim, auch sonst im Alltag führt dies zu grotesken Situationen. Dass Frauen in Saudi-Arabien nicht Auto fahren dürfen, gehört mittlerweile zum globalen Allgemeinwissen. Als Kleidung sind ihnen körperlange dunkle Abajas und Kopftücher vorgeschrieben. Wer als Mann zum Essen in ein Privathaus eingeladen ist, wird in der Regel mit einem reichgedeckten Tisch empfangen, bekommt die Frau des Hauses aber nicht zu Gesicht. Stattdessen werkelt der Hausherr, so gut er kann, an dem Braten herum. Erst wenn seine Gästerunde zum Kaffee ins Wohnzimmer umzieht, haben Ehefrau und Töchter wieder Zutritt, um den abgegessenen Tisch abzuräumen.
Ähnlich funktioniert jedes Restaurant im Königreich – selbst McDonalds. Männer essen vorne unter sich, der kleinere Teil dahinter ist für Frauen oder Ehepaare mit Kindern reserviert. Strikt getrennt sind auch Schulen und Universitäten. Einzige Ausnahme ist die abgelegene König-Abdullah-Universität für Wissenschaft und Technologie (KAUST), die vor Besuchern wie ein Hochsicherheitsgefängnis abgeschottet wird. Die Verantwortlichen wollen die konservative Geistlichkeit nicht mit Fotos von Studentinnen und Studenten reizen, die gemeinsam im Hörsaal sitzen.
Der im Reformplan «Vision 2030» ausgerufene Aufschwung bei der Frauenbeschäftigung jedoch könnte die eisernen Regeln im Land lockern. Bislang arbeiten lediglich 22 Prozent aller erwerbsfähigen Frauen, bis 2030 sollen es 30 Prozent sein. Dafür müssen Firmen ihre Räume umbauen, denn Frauen dürfen nur auf eigenen Fluren sitzen oder sind durch hohe Sichtblenden von ihren männlichen Arbeitskollegen getrennt. Auch die Fahrt ins Büro ist ein Problem. Öffentliche Verkehrsmittel sind unbekannt, sie sollen jetzt mit Hochdruck ausgebaut werden. Bis dahin müssen Frauen Tag für Tag von einem Mann gebracht und abgeholt werden, entweder vom teuren Privatchauffeur, dem Ehepartner oder einem Taxi.
Martin Gehlen, Kairo