Mit Drohungen und Charme-Offensiven wird in Stockholm um eine neue Regierung gekämpft. Eine Vorentscheidung fällt am Montag, doch Neuwahlen stehen nach wie vor im Raum.
Es ist ruhig geworden in Schweden. Vor zwei Wochen hatten die viel beachteten Wahlen zu einem Rechtsrutsch geführt, mit dem die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) drittgrösste Partei wurden und starken Einfluss gewannen. Das Resultat ist aber ein Patt, da unklar ist, wie eine stabile Regierung aussehen soll. Sowohl Links-Grün wie auch die Bürgerlichen haben angekündigt, nicht mit Hilfe der stigmatisierten SD regieren zu wollen.
Gleichzeitig weigern sich die Parteichefs aber, eine Zusammenarbeit über die traditionellen Blockgrenzen hinweg aufzugleisen. In den Hinterzimmern in Stockholm rumort es deshalb kräftig, und nach aussen dringen Drohungen, Bluffs und Charme-Offensiven. Am Ende könnten sehr wohl Neuwahlen stehen.
Eine wichtige Vorentscheidung fällt am Montag mit der Wahl des Parlamentspräsidenten. Dieser bekleidet nach dem König das höchste Amt Schwedens, und er oder sie vergibt den Auftrag für die Regierungsbildung.
Bereits am Dienstag könnte die Amtszeit von Regierungspräsident Stefan Löfven abrupt enden. Der Chef der Sozialdemokraten muss im 349-köpfigen Parlament eine zwingende Vertrauensabstimmung überstehen – wobei er schlechte Chancen hat. Denn eine Mehrheit aus Bürgerlichen und SD hat angekündigt, ihr primäres Ziel sei eine neue Regierung ohne Sozialdemokraten. Der Parlamentspräsident soll sich zwar neutral verhalten, ist aber Parteimitglied und kann entscheidenden Einfluss auf die Regierungsverhandlungen nehmen.
Normalerweise stellt die grösste Partei den Präsidenten: Momentan wären das die Sozialdemokraten. Doch mit der Wahl 2018 werden die meisten Regeln in Frage gestellt – für Montag steht deshalb eine Kampfwahl bevor. Beste Chancen hat der von allen bürgerlichen Parteien getragene Konservative Andreas Norlén. Am Samstag haben auch die Rechtspopulisten bekanntgegeben, Norlén wählen zu wollen; dieser dürfte damit über die von den Linken unterstützte Kandidatin triumphieren.
Norlén führt dann Sondierungsgespräche. Dass er seinem eigenen konservativen Parteichef Ulf Kristersson die erste Chance zur Regierungsbildung gibt, ist wahrscheinlich. Doch Kristersson braucht für eine funktionierende Regierung die Unterstützung der SD. Gleichzeitig haben zwei seiner bürgerlichen Partner, die Liberalen und die Zentrumspartei, versprochen, keiner Regierung anzugehören, die sich auf die SD abstützt. Wie Kristersson diesen Widerspruch auflösen will, weiss niemand. Deshalb sieht Sozialdemokraten-Chef Löfven trotzdem noch eine Chance. Er will die bürgerliche Allianz spalten, die beiden Mitteparteien auf seine Seite ziehen. Mit diesen gibt es viele inhaltliche Übereinstimmungen, doch die beiden haben bisher abgelehnt, eine linke Regierung zu stützen. Möglich werden könnte ein solches Szenario nach einigen Tagen: Der Parlamentspräsident kann viermal einen Auftrag zur Regierungsbildung vergeben. Führt dies zu keinem Resultat, kommt es zu Neuwahlen. Um dies zu verhindern, könnten sich die Parteien mit der Zeit kompromissbereiter geben.