Asyl
Schweiz als Vorbild: So behandelt Deutschland seine Flüchtlinge

Deutsche Politiker beneiden die Schweiz um ihre Schnellverfahren – der nahende Winter stellt Berlin vor Probleme.

Christoph Reichmut, Berlin
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Selfie mit einem Flüchtling in der Asylunterkunft: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel interessiert sich für das Schweizer Schnellverfahren.

Selfie mit einem Flüchtling in der Asylunterkunft: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel interessiert sich für das Schweizer Schnellverfahren.

Keystone

Die Debatte im Bundeshaus über das Asylrecht wird in Deutschland mit regem Interesse verfolgt. Vor allem die in der Schweiz geltenden 48-Stunden-Schnellverfahren für Gesuchsteller aus den sogenannten Westbalkan-Staaten wecken bei unserem nördlichen Nachbarn Interesse. Immerhin 40 Prozent sämtlicher Asylanträge in Deutschland dürften in diesem Jahr von Menschen aus dem Westbalkan stammen. Deutschland rechnet 2015 mit insgesamt 800 000 Asylanträgen.

Die Schweiz will die Mehrheit der Asylverfahren bereits nach 140 Tagen abschliessen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) signalisierte bei ihrem Besuch vorige Woche in Bern Interesse an den Schweizer Schnellverfahren.

Die Regeln in Deutschland

Asylverfahren in Deutschland dauern heute im Durchschnitt 5,3 Monate (Schweiz 2014: 108 Tage), am schnellsten werden die Verfahren im ostdeutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern (3,3 Monate), am langsamsten in Schleswig-Holstein (7,9 Monate) abgewickelt.

Asylbewerber in Deutschland dürfen in den ersten drei Monaten nach der Antragstellung die Stadt oder den Landkreis nur mit behördlicher Genehmigung verlassen, nach Ablauf dieser Frist dürfen sie sich frei bewegen. Allerdings können die Asylbewerber nicht frei wählen, in welchem Bundesland sie wohnen möchten. Sie werden nach einem fixen Verteilschlüssel auf das Bundesgebiet verteilt.

In den ersten drei Monaten nach dem Antrag dürfen Asylsuchende keiner Arbeit nachgehen. Danach können die Behörden eine Arbeitserlaubnis erteilen. Allerdings prüft die Arbeitsagentur, ob für die Stelle nicht auch deutsche oder ausländische Staatsangehörige mit einem vorrangigen Aufenthaltstitel infrage kommen. Diese Prüfung entfällt 15 Monate nach der Antragsstellung. Im letzten November wurde zudem eine Art «Schnellverfahren» für Syrer und Iraker eingeführt.

Solche Verfahren für Bürgerkriegsflüchtlinge kürzen sich ab, weil persönliche Anhörungen entfallen. Wessen Gesuch positiv bewertet wurde, erhält eine Aufenthaltsgenehmigung für mindestens drei Jahre. Wenn danach kein Widerruf erfolgt, bekommt die Person eine Niederlassungsbewilligung. In der Zeit des Verfahrens leben die Antragssteller in Erstaufnahmezentren. Bei positivem Bescheid erfolgt der Umzug in eine Wohnung und Familiennachzug ist möglich.

150 000 winterfeste Plätze

Die Bundesregierung will nun auf den massiven Zustrom von Flüchtlingen mit einem Massnahmenpaket reagieren. Bundesrat (Länderkammer) und Bundestag (Parlament) müssen die von Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel diese Woche vorgestellten Massnahmen im Oktober absegnen. Unter anderem will Deutschland den Kreis der sogenannten sicheren Herkunftsländer zur Beschleunigung der Asylverfahren um Kosovo, Albanien und Montenegro erweitern.

Schon 2014 hatte die Bundesregierung Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer klassifiziert. Zudem will Deutschland in kürzester Zeit 150 000 winterfeste Plätze für Flüchtlinge herrichten. Ein spezielles Beschleunigungsgesetz soll – ähnlich wie in der Schweiz – Abweichungen von Bau- und Vergabestandards erlauben. Zudem soll Flüchtlingen in den Erstaufnahmezentren weniger Taschengeld zur Verfügung gestellt werden. Vielmehr sollen die Menschen verstärkt mit Sachleistungen unterstützt werden. Insgesamt will Deutschland seine Ausgaben für die Flüchtlingshilfe im nächsten Jahr um sechs Milliarden Euro aufstocken.