Iran
Schweizer Botschafterin evakuiert: Die hässliche Seite der «Guten Dienste»

500 wütende Studenten wollten gestern die Schweizer Botschaft in Teheran stürmen – und das nicht zum ersten Mal. Botschafterin Livia Leu Agosti und ihre Angestellten wurden evakuiert.

Lorenz Honegger, Bern
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Mehrere hundert junge Leute haben vor der Schweizer Botschaft in Teheran gegen den Satirefilm über Mohammed protestiert.
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Schwer gerüstet stehen die Iranischen Polizisten zwischen den Protestierenden und der Schweizer Botschaft.
Proteste vor der Schweizer Botschaft in Teheran
Auch viele junge Frauen waren unter den Protestierenden.
Unter grosser mediealer Aufmerksamkeit wurden US-Flaggen verbrannt.
Wütende junge Iraner hielten den Koran in den Händen und riefen Parolen gegen die USA und Israel.
Protestierende treten vor der Schweizer Botschaft in Teheran die US-Flagge mit Füssen.

Mehrere hundert junge Leute haben vor der Schweizer Botschaft in Teheran gegen den Satirefilm über Mohammed protestiert.

Keystone

Mehr als hundert Polizisten mussten die iranischen Behörden gestern zur Schweizer Botschaft in Teheran aufbieten. Die mit Helmen und Schlagstöcken ausgerüsteten Beamten mussten 500 Demonstranten davon abhalten, das Gebäude zu stürmen. Eine religiöse Studentengruppe hatte die Demonstration organisiert. Ihr Zorn galt einem Internetvideo aus den USA, das sich über den Propheten Mohammed lustig macht. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) evakuierte Botschafterin Livia Leu Agosti und ihre Angestellten vorsorglich.

Schutzmacht der USA

Der erneute Versuch, die Schweizer Vertretung in Teheran zu stürmen, illustriert deutlich, dass Berns «Gute Dienste» hässliche Konsequenzen haben können. Als Teil ihrer Aussenpolitik vermittelt die Schweiz seit dem 19. Jahrhundert in Konfliktsituationen rund um den Globus. Während des Zweiten Weltkriegs etwa vertrat sie laut dem EDA die Interessen von rund 35 Staaten. Im Iran ist die Eidgenossenschaft seit mehr als 30 Jahren als neutrale Schutzmacht der USA aktiv. Das erklärt auch, weshalb das Botschaftsgebäude in Teheran immer wieder zum Angriffsziel wird. Schon 2010 musste die iranische Polizei eingreifen, nachdem ein amerikanischer Pfarrer in den Medien eine Koranverbrennung angekündigt hatte.

Pikant: Das EDA in Bern nimmt die brenzligen Vorfälle vor der Botschaft gelassen in Kauf. Denn das Mandat als Schutzmacht der USA verschafft der Schweiz neben Prestige auch das Vertrauen des amerikanischen Aussenministeriums. Wenn die USA dem Regime von Mahmud Ahmadinedschad etwa mit neuen Wirtschaftssanktionen drohen, sind es Schweizer Diplomaten, die der Regierung in Teheran die Nachricht überbringen.

Das erklärt auch, weshalb die EDA-Verantwortlichen den Ball nach dem Bekanntwerden des Vorfalls flach hielten. In einer knappen Mitteilung an die Medien betonte der stellvertretende Informationschef, an der Schweizer Botschaft seien «keine Schäden entstanden». Das Sicherheitsdispositiv vor Ort werde «laufend überprüft».

Die demonstrativ zur Schau gestellte Gelassenheit kann über eines nicht hinwegtäuschen: Es gibt keine Garantie, dass die Schweizer Botschaft eines Tages nicht doch von einem Mob wütender Studenten gestürmt wird. Das weiss Grossbritanniens Regierung in London aus erster Hand: Im November verschafften sich iranische Demonstranten gewaltsam Zugang zur britischen Botschaft, rissen Flaggen runter, schlugen Scheiben ein und nahmen kurzzeitig sechs diplomatische Angestellte gefangen.