Im Jemen tobt jein Glaubenskrieg, sondern ein geostrategisches Seilziehen, sagt die Politologin und gebürtige Jemenitin Elham Manea.
Elham Manea: Ich bin ja auch Schweizerin, aber jetzt fühle ich als Jemenitin. Mir geht es schlecht. Ich bin enttäuscht. Wir Jemeniten zahlen einen hohen Preis für einen Konflikt, den wir selbst zu verantworten haben . . .
Leider nicht zum ersten Mal. Die Geschichte wiederholt sich. In den 60er-Jahren intervenierten die Saudis aufseiten der schiitischen Zaiditen, der Huthis, die sie jetzt bekämpfen. Das zeigt, dass im Jemen kein Glaubenskrieg tobt, sondern ein geostrategisches Seilziehen im Gange ist. Damals fürchteten sich die Saudis vor Nassers revolutionärem Ägypten. Heute ist es Iran, der bereits zu Zeiten des Schahs seine Finger auf die arabische Golfregion ausgestreckt hatte.
Es geht nicht darum, was die Iraner tun, sondern wie man sie wahrnimmt. Teheran ist in Syrien, im Irak und im Libanon auf dem Vormarsch und versucht nun auch im Jemen Einfluss zu gewinnen.
Selbst die Amerikaner waren überrascht von den sehr überstürzt getroffenen Entscheidungen in Riad.
Saleh, ein zaiditischer Schiit, ist die Schlüsselfigur in diesem Konflikt. Seine Armee ist dafür verantwortlich, dass die Huthis mehr als die Hälfte des Jemen erobern konnten. Saleh ist der Schlüssel zur Lösung. Er hat die Huthis bereits zu Verhandlungen aufgefordert. Saleh möchte seinen Sohn Ahmad auf den Präsidentenstuhl hieven.
Hadi hat jegliche Glaubwürdigkeit und nach seiner Flucht aus Aden den Respekt aller Jemeniten verloren.
Wenn Saudi-Arabien nach der Luft- auch eine Bodenoffensive beginnt, öffnet es das Tor zur Hölle. Die Osmanen bezeichneten Jemen bereits als ihr Grab. Ägypten, das 1963 aufseiten der Republikaner militärisch intervenierte, nannte Jemen «unser Vietnam». Die Einzigen, die von einer saudischen Bodenoffensive profitieren werden, sind al-Kaida und der IS.
Ich hoffe es. Wenn wir über die saudischen Luftangriffe sprechen, müssen wir auch über den Machtkampf sprechen, der gegenwärtig in Saudi-Arabien tobt. Ich habe Angst, dass der saudische Verteidigungsminister Mohammed bin Salman den überstürzten Befehl zum Angriff nur deshalb gegeben hat, um seine eigene Position zu stärken. Ist dies der Fall, dann haben wir ein ernstes Problem.
Wir erleben gerade einen heissblütigen, völlig verwöhnten 29-jährigen Saudi an der Spitze des Verteidigungsministeriums – auf einer Position, für die er überhaupt nicht geeignet ist. Ich habe Angst, dass der Machtkampf in Saudi-Arabien jetzt auch den Jemen- Konflikt beeinflusst.
Jeder in Saudi-Arabien weiss, dass man ihn älter gemacht hat, damit er Verteidigungsminister werden kann.
(unterbricht) Mohammed bin Salmans Vater hat Alzheimer. Das darf man vor dem Hintergrund der Krise und des amtierenden Krisenmanagers nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Was mich beunruhigt, sind die sektiererischen Parolen, die jetzt überhandnehmen. Dass man nicht von Huthis, sondern von schiitischen Ungläubigen spricht. Wie der kürzlich wieder aus dem Gefängnis entlassene saudische Hassprediger Mohammed al-Arifi, der verkündet, dass es legitim ist, die Huthis anzugreifen, weil sie Moscheen zerstört und den Koran verbrannt haben.
. . . die, wie die Islah-Partei, Saudi-Arabien unterstützen, aber inzwischen auch mit al-Kaida zusammenarbeiten.
* Elham Manea (49) ist jemenitisch-schweizerische Doppelbürgerin. Die Politologin arbeitet als Privatdozentin an der Universität Zürich. Sie schrieb ihre Dissertation (2001) über die politischen Entwicklungen auf der Arabischen Halbinsel (Regional Politics in the Developing World: The Case of the Arabian Peninsula, Yemen, Saudi Arabia, Oman. Saqi Books London 2005).